Kreislaufpioniere Recycling: Kampf der Krise

Im Plastikrecycling ist aktuell der Wurm drin. Neuplastik ist auf dem Vormarsch, Absatzmärkte für Rezyklat schrumpfen. Und die Politik? Tut viel zu wenig. Hier erklärt Herwart Wilms, Geschäftsführer des Recyclingunternehmens Remondis, warum er trotzdem an die Zukunft der Kreislaufwirtschaft glaubt.

Herr Wilms, steckt das Plastikrecycling in der Krise?

Ja, das muss man leider so sagen. Mitte 2023 musste Veolia eine PET-Recyclinganlage in Rostock wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit aufgeben. Auch bei anderen Unternehmen drohen Schließungen. Für diese prekäre Situation gibt es mehrere Gründe: Der Weltmarkt wird von riesigen Mengen Neuplastik überschwemmt. China versorgt sich inzwischen komplett autark mit Kunststoff aus frischem Rohöl. Damit ist die zweitgrößte Volkswirtschaft als Absatzmarkt für Rezyklate komplett verschlossen. Ähnliches gilt für Indien. Ein weiteres Problem ist Greenwashing. Immer häufiger kommen Rezyklate auf den Markt, die bei genauerem Hinsehen aus Neuplastik bestehen. Das alles macht dem Recycling zu schaffen, gerade auch in Deutschland.

Und was tut die Politik?

Ehrlich gesagt, bisher nicht viel. Vieles von dem, was uns die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag zur Förderung der Kreislaufwirtschaft versprochen hat, ist noch immer nicht umgesetzt. Das ist bedauerlich, denn für funktionierende Recyclingmärkte brauchen wir die richtigen Rahmenbedingungen. Schon die vorherige Bundesregierung hat im neuen Verpackungsgesetz definiert, dass wir Unternehmen besserstellen sollen, die Rezyklate einsetzen und recyclingfähige Verpackungen herstellen. Doch an der Umsetzung hapert es bis heute.

Woran liegt das?

Es scheint fast, als hätte die deutsche Politik die Dringlichkeit der Lage nicht erfasst. Dabei könnte man sogar noch viel mehr tun. Für den schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien hat das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck einen interessanten Kniff angewandt: Man hat Paragraf 2 im EEG geändert, um der Errichtung und dem Betrieb von Anlagen ein „überragendes öffentliches Interesse“ zuzuschreiben. Gleiches sollten wir mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz tun. Wenn man bedenkt, wie wichtig Kreislaufwirtschaft für Ressourcen- und Klimaschutz ist, ist überragendes öffentliches Interesse definitiv gegeben. Rechtlich könnte man dann wichtige Schritte schneller und besser umsetzen.

Was erwarten Sie für die Zukunft?

Bei Remondis investieren wir weiter in den Ausbau unserer Recyclinganlagen und in neue Recyclingtechnologien. Ressourcenschonung und Klimaschutz werden immer wichtiger werden. Deshalb glauben wir fest daran, dass Kreislaufwirtschaft der Megatrend der Zukunft sein wird, auch wenn wir derzeit gegenläufige Tendenzen erleben. Ich plädiere sehr dafür, dass auch die Politik die Kreislaufwirtschaft endlich als Zukunftsthema begreift und die Voraussetzungen dafür schafft, dass Unternehmen hier in Deutschland sicher und langfristig investieren können.

Herr Wilms, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Talk auf der roten Couch

Kampf gegen das Politikversagen

zur Sendung

Beim Talk auf der Roten Couch diskutiert Herwart Wilms mit Frosch-Chef Reinhard Schneider über die aktuelle Recycling-Krise und darüber, wie Politiker*innen die Kreislaufwirtschaft stärken können.

Kreislaufpioniere

In unserer Interview-Reihe „Kreislaufpioniere“ sprechen wir mit Expert*innen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft über Kreislaufwirtschaft, Recycling und verwandte Umweltthemen. Unter dem Motto „kurz und konkret“ beantworten unsere Gesprächspartner*innen drei Fragen zu ihrem Fachgebiet.