Eure Fragen, einfach erklärt Klimaneutral? Wirklich?

Scheinbar wird nirgendwo so fleißig das Klima geschützt wie im Supermarktregal. Wohin man schaut: „klimaneutral“ hier, „CO2-negativ“ dort. Aber bedeuten diese Begriffe auch wirklich etwas? Wer das glaubt, für den haben wir schlechte Nachrichten.

“Was genau bedeutet eigentlich ‚klimaneutral‘?”

Kommen wir direkt zur Sache. Leider müssen wir euch mitteilen, dass Label wie „Klimaneutral“ oder „Netto Null“, die heute überall auf Produktverpackungen prangen, in Wahrheit nur eines bedeuten: nämlich gar nix. 

Manche dieser Wörter hatten in der wissenschaftlichen Klimadiskussion tatsächlich mal eine Bedeutung, wurden dann aber durch exzessiven Marketing-Gebrauch vollkommen verwässert. Andere sind von vornherein frei erfunden.

Seit das Klima für Unternehmen zum Imagethema geworden ist, beobachten wir einen regelrechten Wildwuchs dieser Klimaschutz-Phrasen. Jede davon klingt zwar recht vielversprechend, hat aber mit wirkungsvollen Maßnahmen meist nichts am Hut. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Begriffe wie “klimaneutral” rechtlich überhaupt nicht definiert sind. 

Hier eine kurze (und bei Weitem nicht vollständige) Liste des nichtssagenden Klima-Jargons, dem man derzeit in der Werbung begegnet:

  • Klimaneutral
  • CO₂-neutral
  • Netto-Null-Emissionen
  • Klimafair
  • CO₂-negativ
  • Klimaneutralisiert
  • Klimapositiv
  • Carbon positive

Vorsicht vor Klima-Greenwashing

Wollen wir damit sagen, dass die meisten Unternehmen gar nichts für den Klimaschutz tun? Nein, natürlich nicht. Festzustellen bleibt aber, dass viele Maßnahmen dem Klima-Greenwashing schon sehr nahekommen.

Eine der derzeit beliebtesten (weil werbewirksamsten) Scheinlösungen ist die CO2-Kompensation durch Aufforstungsprojekte. Das funktioniert so: Zunächst lassen Firmen ihren aktuellen Ausstoß an Treibhausgasen ermitteln und kaufen anschließend Klimazertifikate. 

Für das gezahlte Geld werden irgendwo Bäume gepflanzt, die das ausgestoßene Kohlendioxid während ihrer Wachstumsphase wieder absorbieren sollen. Rein rechnerisch ist das Unternehmen dann „klimaneutral“, ohne die eigenen Emissionen auch nur um ein einziges Gramm CO2 reduzieren zu müssen.

Kritik an der Aufforstung

Einfach Bäume pflanzen lassen, und das Problem ist gelöst? Klingt zu schön, um wahr zu sein. Und genauso ist es auch. Hier einige der zentralen Kritikpunkte an der üblichen Aufforstungspraxis vieler Unternehmen.

  • Immer häufiger tauchen Medienberichte auf, die von den zwielichtigen Geschäftspraktiken mancher Kompensationsprojekte berichten. Vor allem Billiganbieter, die oft nur wenige Euro pro Baum verlangen, machen dabei keine gute Figur. So kommt es vor, dass bezahlte Bäume gar nicht erst gepflanzt werden. In anderen Fällen ist die Pflege so nachlässig, dass die meisten der Setzlinge das kritische erste Jahr nicht überstehen.

  • Selbst wenn man sich gut um die Bäume kümmert, dauert es viele Jahre, bis sie relevante CO₂-Mengen speichern. Wie viel das genau ist, lässt sich nicht seriös berechnen. Denn Höhe, Breite, Baumart und Umwelteinflüsse wie Temperatur oder Niederschlag nehmen Einfluss auf die Speichermenge. Sichern Kompensationsanbieter ihren Unternehmenskunden konkrete Mengen an gespeichertem CO2 zu, ist das also im besten Fall eine grobe Schätzung.

  • Bäume halten gespeichertes CO2 nur so lange aus der Atmosphäre fern, wie der Baum auch am Leben ist. Wird er abgeholzt oder bei einem Waldbrand vernichtet, setzt er auch sein gesamtes CO₂ wieder frei. Daher müsste die Kompensationsgutschrift eigentlich wieder aus der Unternehmensbilanz getilgt werden. Normalerweise passiert das aber nicht.

  • Viele Unternehmen erhalten ihre „Klimaneutral“-Zertifikate von Beratungsfirmen, die dafür nach einem ganz bestimmten Schema vorgehen. Zunächst kalkulieren sie die CO2-Bilanzen des Kunden und verkaufen ihm anschließend die passende Menge an Kompensationen. Den überwiegenden Teil ihres Geldes verdienen sie aber nicht mit der Bilanzierung, sondern mit den Kompensationen. Je mehr Emissionen, desto mehr Kompensationen. Entsprechend gering dürfte ihr Interesse sein, dass die Unternehmen im ersten Schritt ihren CO₂-Ausstoß wirksam senken.

  • Oft finden Kompensationsprojekte in Ländern statt, die sich ihrerseits durch internationale Vereinbarungen dazu verpflichtet haben, ihren Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren. So kann es passieren, dass kompensiertes CO₂ doppelt gezählt wird: einmal für das Land, einmal für das auftraggebende Unternehmen. In solchen Fällen emittieren die Firmen weiter fleißig CO2, die zur Kompensation nötigen Bäume existieren aber de facto nicht.

Aufforsten, ja oder nein?

Soll das heißen, Aufforstung ist eine schlechte Sache? Nein, ganz und gar nicht. Unsere Wälder sind lebenswichtig für den Planeten und verdienen Schutz und Fürsorge. Aber nur aufforsten und ansonsten so weitermachen wie bisher, reicht für den Klimaschutz bei weitem nicht aus.

An allererster Stelle muss die Vermeidung von Emissionen stehen. Kompensieren sollten wir nur, was sich überhaupt nicht vermeiden lässt. Denn echter Klimaschutz muss ganzheitlich sein und das Problem direkt bei der Wurzel packen. Alles andere ist nur ein leeres Werbeversprechen.

Tipp: Was kann ich tun?

Wer sich privat oder geschäftlich an Baumpflanzprojekten beteiligen möchte, sollte sich nach einem seriösen Partner umschauen. Wir empfehlen beispielsweise das Lebenswald-Projekt der NGO “Borneo Orangutan Survival” (BOS). Die Mitglieder arbeiten eng mit der einheimischen Bevölkerung in Borneo zusammen, um gepflanzte Bäume zu bewässern und sie vor Schädlingen zu schützen. So wachsen 90 Prozent der Setzlinge tatsächlich heran.

Recycling-Fragen, einfach erklärt

Es gibt viele Fragen zum Recycling: Wie viel Müll im Gelben Sack wird recycelt? Kann Plastik wirklich im Kreislauf geführt werden? Was ist der Unterschied zwischen Down- und Upcycling? In dieser Rubrik gehen wir auf die vielen Fragen in Social Media ein und beantworten sie kurz und verständlich. Eure Fragen könnt ihr uns bei Instagram, Facebook oder einfach per E-Mail stellen.