Kreislaufwirtschaft
Laut einer gemeinsamen Studie der Unternehmensberatung Simon-Kucher und des Meinungsforschungsinstituts YouGov sind nur noch 64 Prozent der Deutschen bereit, für nachhaltige Verpackungen mehr zu bezahlen. 2021 lag dieser Wert noch bei 83 Prozent.
Als Grund für diese Entwicklung sehen die Studienautor*innen, dass nachhaltige Verpackungen mittlerweile zum Standard werden. Der Aufpreis, den Kund*innen im Schnitt zu zahlen bereit sind, bleibt jedoch mit 6 Prozent relativ konstant.
Gleichzeitig hat laut Studie ein Drittel der Verbraucher*innen ein Problem mit der Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit. 17 Prozent glauben den Aussagen zur Nachhaltigkeit nicht, 15 Prozent fühlen sich zu wenig informiert. Hier sehen Expert*innen Handlungsbedarf bei den Herstellern.
Laut der Untersuchung greifen die Verbraucher*innen am liebsten zu unverpackten Produkten. Falls doch Verpackung nötig ist, sollte sie recycelbar sein oder aus Recyclingmaterial bestehen.
Studie: Sustainable Product Packaging
Eine Studie der Universität Hohenheim zeigt: Verbraucher*innen in Deutschland sind durchaus gewillt, ihren Müll korrekt zu trennen. Fehlinformationen und Wissenslücken stehen dem jedoch häufig im Weg. Vor allem bei der Entsorgung von Verbundverpackungen haben viele Probleme, die verschiedenen Materialien zu erkennen. Auch der Platzmangel in kleinen Stadtwohnungen erschwert oft die Mülltrennung.
Um die Motivation zur richtigen Mülltrennung zu erhöhen, wünschen sich die Befragten mehr Aufklärung zu den Themen Mülltrennung, Kunststoffherstellung und Recycling – am besten über soziale Medien und in Schulen. Die Forschungsergebnisse sind relevant für die Abfallpolitik und das Verpackungsdesign und zeigen die Notwendigkeit, besser über Mülltrennung zu informieren.
Eine Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) aus dem Jahr 2024 zeigt, dass in Deutschland nur ein kleiner Teil der benötigten Rohstoffe durch Rezyklate gedeckt wird. Um die Kreislaufführung von Rohstoffen zu verbessern, braucht es laut TAB politische Eingriffe, ein gut abgestimmtes Maßnahmenpaket und neue Indikatoren für eine realistische Fortschrittsmessung.
In der Studie analysieren die Autor*innen die Bereiche Kunststoffverpackungen, Elektro- und Elektronikabfälle sowie Bauabfälle. Trotz teils hoher Recyclingquoten werden bislang viel zu wenige Rezyklate auch wirklich eingesetzt. Die Gründe sind vielfältig: nicht-recyclingfähiges Produktdesign, Mängel bei der getrennten Erfassung der Abfälle und technische Grenzen bei der Wiedergewinnung der Rohstoffe. Vor allem aber fehlt es an ökonomischen Anreizen für den Rezyklateinsatz durch die Industrie.
Das TAB empfiehlt der Politik ein ganzes Bündel an Maßnahmen: schärfere Vorgaben für recyclingfähiges Produktdesign, Festlegung von Informations- und Kennzeichnungspflichten, Mindesteinsatzquoten für Rezyklate sowie eine gezielte öffentliche Beschaffung von Rezyklat-Produkten. Allerdings müsse laut Studie auch beachtet werden, dass die Maßnahmen für einen erhöhten Rezyklateinsatz mit Maßnahmen der Abfallvermeidung und Langlebigkeit kombiniert werden müssen. Eingebettet sein müssten die Maßnahmen daher in eine ambitionierte Gesamtstrategie zur Ressourcenschonung mit klaren Zielen und Indikatoren.
Studie: Strategien und Instrumente zur Verbesserung des Rezyklateinsatzes
Eine Studie des Umweltbundesamtes vom März 2024 beschreibt Faktoren für die Steigerung des Kunststoffrecyclings in Deutschland. Haupteinsatzgebiete für Kunststoffe sind demnach Verpackungen, der Bausektor und die Automobilindustrie.
94 Prozent der Kunststoffabfälle verbleiben nach Berücksichtigung von Im- und Exporten in Deutschland. Der größte Teil der Exporte geht in EU-Länder. Mehr als die Hälfte der Kunststoffabfälle wird verbrannt.
Die Studie formuliert Handlungsempfehlungen für die Industrie, etwa die Umsetzung von Designrichtlinien zur Verbesserung der Recyclingfähigkeit (Design für Recycling) oder die Überprüfung von Recyclingquoten. Der Politik empfiehlt sie unter anderem eine gezielte öffentliche Beschaffung von Rezyklaten und verpflichtende externe Audits zur Kontrolle der Anstrengungen der Industrie.
Die deutsche Kreislaufwirtschaft bleibt auf Wachstumskurs, das zeigt der Statusbericht Kreislaufwirtschaft 2024. Er wurde von 15 Verbänden und Unternehmen der Branche initiiert und zeichnet ein umfassendes Bild der deutschen Kreislaufwirtschaft im Jahr 2024.
Bei einem stabilen Gesamtabfallaufkommen von rund 400 Millionen Tonnen pro Jahr wird beim Hausmüll ein leichter Anstieg pro Kopf verzeichnet. Die Entsorgungskosten für die Haushalte liegen zwischen 70 und 120 Euro pro Jahr und seien damit geringer als vielfach angenommen.
Für mehr Ressourcenschonung sei es jedoch notwendig, die Zirkularitätsrate von derzeit 12,7 Prozent zu erhöhen. Die Niederlande erreiche eine Zirkularitätsrate von 33,8 Prozent. Für ein effizientes Recycling sei ein intelligentes Produktdesign unerlässlich.
Deutsche Unternehmen der Kreislaufwirtschaft seien im weltweiten Handel mit Technologien und Sekundärrohstoffen stark vertreten. Allerdings steige der internationale Wettbewerbsdruck, insbesondere durch die zunehmende Präsenz Chinas.
Die Wertschätzung für die Branche und ihre Beschäftigten nehme zwar zu, es fehle aber an Akzeptanz für die notwendige Infrastruktur. Die Branche leiste einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, zur Rohstoffsicherung und zur Energiewende. Seit 1990 seien die Emissionen im Abfallsektor um 75 Prozent gesunken.
Studie: Statusbericht der deutschen Kreislaufwirtschaft 2024
Eine Umfrage des Entsorgungs- und Recyclingunternehmens Alba aus dem Jahr 2024 zeigt, dass die Mülltrennung für viele Deutsche nach wie vor eine Herausforderung ist. Ein Viertel der Befragten findet die Zusammensetzung des Mülls zu kompliziert, um ihn richtig zu trennen. Weitere 22,9 Prozent können nach eigenen Angaben ihren Müll nicht richtig trennen, weil sie zu wenig Platz für mehrere Mülltonnen haben. Die Zahlen zeigen deutlich, dass mangelhafte Mülltrennung nach wie vor ein systemisches Problem ist, denn: Zeitmangel, Desinteresse oder das Finden der richtigen Abfall-Tonne spielen für die Verbraucher*innen nur eine untergeordnete Rolle.
Die Umfrage basiert auf den Angaben von mehr als 5.000 Erwachsenen in Deutschland. Alba betont, dass einfachere Verpackungen und bessere Aufklärung helfen könnten, die Mülltrennung in Deutschland zu verbessern. Immerhin sei die Industrie auf Recyclingmaterial und eine fachgerechte Entsorgung angewiesen.
Umfrage: Was ist für Sie persönlich das größte Hindernis bei der Trennung von Müll zuhause?
In einer Studie aus dem Jahr 2021 rechnen die Ellen MacArthur Foundation und die Nachhaltigkeitsberatung Material Economics eindrucksvoll vor, dass die Kreislaufwirtschaft einen enormen Beitrag zur Verringerung der weltweiten CO2-Emissionen leisten kann.
Die Autor*innen gehen davon aus, dass 55 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen durch den Einsatz von erneuerbaren Energien vermieden werden können. Um die UN-Klimaziele zu erreichen, müssen aber auch die verbleibenden 45 Prozent angegangen werden, die bei der Herstellung und Nutzung von Produkten entstehen.
Ein systematischer und kosteneffizienter Ansatz: die Kreislaufwirtschaft. Um die Reduktionspotenziale genauer zu bestimmen, konzentriert sich die Studie auf vier Schlüsselsektoren: Zement, Kunststoffe, Stahl und Aluminium.
Durch die Anwendung von Strategien einer effizienten Kreislaufwirtschaft (Design für Recycling, Wiederverwendung etc.) könnten die jährlichen CO2-Emissionen dieser industriellen Materialien um 40 Prozent gesenkt werden.
Würden Kreislaufstrategien auch in der Lebensmittelproduktion umgesetzt, könnten die jährlichen Treibhausgasemissionen in diesem Bereich sogar um 49 Prozent sinken.
Kombiniert man beide Maßnahmen, ließen sich laut Studie durch die Kreislaufwirtschaft 9,3 Milliarden Tonnen CO2 einsparen. Das wäre in etwa so, als würde man die jährlichen Emissionen des gesamten Verkehrssektors auf Null reduzieren.
Studie: Completing the Picture: How the Circular Economy Tackles Climate Change
Das deutsche Verpackungsgesetz von 2019 soll das recyclingfreundliche Design von Verpackungen ankurbeln. Paragraf 21 des Gesetzes ermöglicht den Dualen Systemen, von Händlern und Herstellern höhere Gebühren für schlecht recycelbare Verpackungen zu verlangen.
Ob das funktioniert, hat das Umweltbundesamt (UBA) 2022 in einer Studie untersucht. Mit ernüchterndem Ergebnis: Die Autor*innen kommen zum Schluss, dass Paragraf 21 in den drei Jahren seines Bestehens vollkommen wirkungslos geblieben ist.
Hauptgrund dafür ist, dass Händler und Hersteller bei hohen Gebühren für schlecht recycelbare Verpackungen einfach zu einem anderen Dualen System wechseln. Änderungen am Gesetzestext würden daran wohl kaum etwas ändern, so die Studie.
Die Autor*innen schlagen daher zwei wirksame Ergänzungen vor. Zum einen eine Steuer auf schlecht recycelbare Verpackungen. Zum anderen einen Fonds, der die Recyclingfähigkeit und die Verwendung von Recyclaten in Verpackungen belohnt.
Im Green Paper “Circular Economy für Kunststoffe neu denken” formuliert der Round Table des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) konkrete Handlungsempfehlungen für Politik und Industrie. Ziel ist es, eine konsequente Kreislaufwirtschaft für Plastik aufzubauen. Dafür saßen erstmals Vertreter*innen aus allen Bereichen der Kunststoff-Wertschöpfungskette beisammen. Sie fordern unter anderem, Plastik aus Rohöl nicht weiter steuerlich zu bevorzugen, konsequentes Design für Recycling einzuführen sowie konkurrenzfähige Preise für Plastik-Recyclat.
Viele Unternehmen wollen bis 2025 mehr PET-Recyclat in ihren Verpackungen einsetzen. Allerdings gibt es dafür aktuell auf dem Recyclat-Markt nicht genügend Material. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der ETH Zürich aus dem Jahr 2022. Wollen alle Firmen ihre geplanten Recycling-Vorhaben umsetzen, müsste die europaweite Produktion von Recycling-PET um mindestens 53 Prozent steigen. Selbst die sofortige Einführung eines europaweiten Pfandsystems für PET-Getränkeflaschen könnte die Materiallücke nicht schließen. Auch Schalen, Folien und andere PET-Verpackungen müssen konsequent gesammelt und hochwertig aufbereitet werden. Ähnlich wie es Deutschland bereits mit dem Gelben Sack tut.
In einem Aufsatz für die renommierte Fachzeitschrift „Nature Reviews Materials“ aus dem Jahr 2022 widmen sich Prof. Dr. Klaus Kümmerer und Prof. Dr. Dr. Vânia Zuin Zeidler von der Leuphana Universität Lüneburg dem Design for Recycling auf Polymer-Ebene. Demnach erschwert die Kombination aus steigendem Kunststoffverbrauch und einer riesigen chemischen Vielfalt in Plastikprodukten das sinnvolle Recycling. Es sei daher die Aufgabe von Chemie und Materialwissenschaften, kreislauffähige und optimal wiederverwendbare Polymere zu entwickeln.
Artikel: Chemistry and materials science for a sustainable circular polymeric economy
In Deutschland ist die Kreislauffähigkeit der allermeisten Produkte leider immer noch erschreckend gering. Zu diesem Schluss kommt die im April 2021 veröffentlichte Studie „Sekundärrohstoffe in Deutschland“, die vom Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) im Auftrag des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) erstellt wurde. Demnach beträgt der Recyclatanteil am gesamten deutschen Rohstoffverbrauch lediglich zwölf Prozent. Und das Schlimmste: Selbst wenn alle kreislauffähigen Produkte in Deutschland tatsächlich recycelt würden, ließe sich dieser Wert gerade mal auf 22 Prozent steigern. Als Referenzmodell nutzt die Studie die sogenannte Circular Material Use Rate (CMU), die in der EU als Indikator für die Kreislaufwirtschaft dient.
Studie: Sekundärrohstoffe in Deutschland
Ist der Einsatz von Altplastik aus dem Gelben Sack für die Herstellung von Kosmetikverpackungen sicher? Wenn ja, welche Rezyklate eignen sich dafür? Welche Prüfungen werden benötigt? Auf diese und weitere Fragen gibt das gerade veröffentlichte Dokument „How to evaluate post-consumer polyolefin recyclates in cosmetic packaging?“ erstmals wissenschaftlich fundierte Antworten. Der Leitfaden ist ein erster Industriestandard für den Einsatz von mechanisch recyceltem Altplastik für Kosmetikverpackungen, der Antworten auf die wichtigsten Fragestellungen liefert und nationalen wie internationalen Recyclingunternehmen und Herstellern zukünftig gleichermaßen weiterhilft.
Studie: How to Evaluate Post-consumer Polyolefin Recyclates in Cosmetic Packaging?
Im Plastikatlas 2019 setzen sich die Heinrich-Böll-Stiftung und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisch mit dem Thema Kunststoff auseinander. Die Autoren beleuchten die Machenschaften der internationalen Plastikindustrie und schildern, wie sich Herstellung und Gebrauch von Kunststoff auf Umwelt, Klima und Gesundheit auswirken. Zudem nehmen sie die Wirksamkeit unseres Recyclingsystems unter die Lupe und entzaubern vermeintliche Wunderlösungen wie Bioplastik.
Report: Plastikatlas 2019 – Daten und Fakten über eine Welt voller Kunststoff
In einem Bericht aus dem Jahr 2020 setzen sich die Europäischen Akademien der Wissenschaften (EASAC) mit Kunststoffverpackungen auseinander und betonen die immense Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für deren sinnvolle Verwertung. Die Forscherinnen und Forscher fordern handfeste Reformen für den Umgang mit Plastikmüll, darunter konsequentes Design for Recycling, Steuern auf Neuplastik und Mindestquoten für Altplastik in Verpackungen.
Durch eine Stichproben-Analyse von 2800 Hausmülltonnen kommt das Umweltbundesamt im Jahr 2020 zu dem Schluss, dass dem Recycling durch falsche Mülltrennung noch immer großen Mengen wertvolles Material verloren gehen. Weil sie nicht im Gelben Sack, sondern in der Restmülltonne entsorgt werden, landen in Deutschland jedes Jahr rund 700.000 Tonnen Verpackungsplastik in der Müllverbrennung.
2019 untersuchte das Öko-Institut im Auftrag des Deutschen Naturschutzbundes (NABU), wieviel Recyclingmaterial durch Müllverbrennung verloren geht. Ergebnis: Viel zu viel. Allein simple Maßnahmen wie die Einhaltung gültiger Abfallgesetze könnten demnach die verbrannte Müllmenge um gut 20 Prozent senken und rund 250.000 Tonnen Verpackungsmüll für das Recycling retten. Zusätzliche Maßnahmen könnten sogar bis zu 1,5 Millionen Tonnen Recyclingmaterial vor der Müllverbrennungsanlage bewahren.
Klima- und Umweltschutz
In einer Studie des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) aus dem Jahr 2024 sammelten rund 300 freiwillige Helfer*innen mehr als zwei Tonnen Sand an 71 deutschen Nord- und Ostseestränden. Die Forschenden analysierten den Sand im Labor und fanden dabei im Durchschnitt etwa vier Plastikteilchen pro Quadratmeter mit einer Größe zwischen einem und fünf Millimetern. Die Belastung durch Mikroplastik war damit geringer als in anderen Studien.
Die Forschenden vermuten mehrere Gründe für dieses Ergebnis: Zum einen konzentrierte sich die Studie auf größere Mikroplastikpartikel und ließ kleinere Teilchen (<1 mm) außen vor, die in anderen Untersuchungen meist den Großteil ausmachen. Zum anderen wurden die Sammelorte zufällig ausgewählt und nicht gezielt Hotspots beprobt, an denen sich besonders viel Mikroplastik findet.
Die Autor*innen sehen aber noch einen weiteren möglichen Grund: Die Wirksamkeit gesetzlicher Regelungen, die den Plastikverbrauch eindämmen sollen. So deuten Langzeitstudien darauf hin, dass in den vergangenen 25 Jahren weniger Plastiktüten auf dem Meeresboden gelandet sind – möglicherweise ein Effekt strengerer Vorgaben.
Um den Erfolg solcher Maßnahmen verlässlich beurteilen zu können, braucht es laut AWI ein großräumiges Monitoring mit einheitlichen Methoden. Die aktuelle Studie liefert dafür eine erste Datengrundlage. Sie demonstriert zugleich, wie wichtig die Einbindung der Bevölkerung für eine breite Datenerhebung sein kann.
Sowohl auf EU- als auch auf Bundesebene gibt es ambitionierte politische Ziele, um die öffentliche Beschaffung von Dienstleistungen und Waren nachhaltiger zu gestalten. Doch eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zeigt: Zwischen Absicht und Umsetzung klafft eine große Lücke.
Forscher*innen der Universität der Bundeswehr München analysierten dafür öffentliche Vergabeverfahren zwischen den Jahren 2011 und 2023. Das Ergebnis: Im Schnitt wurden nur in 11 Prozent der Verfahren nachhaltige Kriterien berücksichtigt.
Schuld daran ist allerdings nicht die mangelnde Gesetzgebung zum Thema. Bereits heute ermöglicht das Vergaberecht, Nachhaltigkeitskriterien in allen Phasen des Vergabeverfahrens einzubeziehen. Das Problem ist vielmehr die gelebte Praxis der Behörden.
Als mögliche Ursachen identifizieren die Autor*innen unter anderem mangelnde Professionalisierung der Beschaffer*innen, vergaberechtliche Unsicherheit oder unzureichende Zielvorgaben. Maßnahmen wie Fortbildungen, die Einführung von Standards oder eine engere Verzahnung auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene könnten diese Lücken schließen.
Das abschließende Fazit der Studie: Mit einem Beschaffungsvolumen von rund 350 Milliarden Euro pro Jahr kann die öffentliche Hand wesentliche Impulse für Nachhaltigkeit setzen – und sollte das auch tun.
In den vergangenen Jahren zeigen immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen, dass Mikroplastik bis tief in den menschlichen Körper eindringt und sich in wichtigen Organen ansammelt. Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2024 wies nun nach: Die winzigen Plastikpartikeln finden sich mittlerweile sogar vermehrt in Gehirnen.
Die Forscher*innen untersuchten Leber, Nieren und Gehirne von Verstorbenen. Alle Organe enthielten Mikroplastik, doch im Gehirn fanden sich 10- bis 20-mal so viele Partikel wie in den anderen Organen.
Besonders alarmierend: Offenbar hat die Anreicherung von Mikroplastik in menschlichen Gehirnen im Laufe der letzten Jahre deutlich zugenommen. Demnach ist die Plastikmenge zwischen 2016 und 2024 um etwa 50 Prozent gestiegen. In Proben aus dem Jahr 2024 machte der Kunststoff im Schnitt 0,5 Prozent des gesamten Hirngewichts aus.
Ebenfalls alarmierend: In den Gehirnen von Demenz- und Alzheimerpatient*innen war die Konzentration von Mikroplastik bis zu 10 Mal höher als in Proben gesunder Menschen. Angesichts der Forschungsergebnisse fordern Wissenschaftler*innen dringend Maßnahmen gegen die Plastikflut.
Die 6. Klima-Umfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB) zeigt: In Deutschland ist das Wissen über Klimawandel bei den über 50-Jährigen ausgeprägter als bei Jüngeren. Die Studie, die über 30.000 Menschen aus verschiedenen Weltregionen befragte, analysierte das Klimaverständnis anhand von zwölf Fragen in den Bereichen Definition, Ursachen, Folgen und Lösungen. Bewertet wurden die Antworten der Befragten auf einer Skala von 0 bis 10.
Das Ergebnis für Deutschland: Im Bereich Definition und Ursachen kamen die über 50-Jährigen auf 8,15 Punkte. Jüngere Befragte erreichten hingegen nur 6,92. Auch beim Wissen über die Folgen des Klimawandels zeigten sich deutliche Unterschiede. Befragte über 50 erreichten 8,21 Punkte, während Jüngere lediglich 6,94 Punkte erzielen konnten.
Eine weitere Erkenntnis: Je jünger, desto unwissender, vor allem in Deutschland. So landeten die 20- bis 29-Jährigen nicht nur hinter den Deutschen über 30. Sie schnitten auch schlechter ab als der EU-Durchschnitt ihrer Altersklasse. Die EIB-Klima-Umfrage liefert damit wichtige Erkenntnisse über die Wissensverteilung zum Klimawandel und zeigt Handlungsbedarf in der Bildung der jüngeren Generationen auf.
Eine Studie aus dem Jahr 2022 zeigt: Wenn Unternehmen ihre Versprechen zu Nachhaltigkeit nicht einhalten, schädigt das die Beziehung zu ihren Kunden. Dafür untersuchten die Forscher*innen 202 große US-Firmen im Zeitraum 2008 bis 2016. Sie verglichen die verkündeten Ziele und Aktivitäten der Unternehmen im Bereich grüner Produktinnovationen mit Daten zur Kundenzufriedenheit.
Ergebnis: Kund*innen registrieren sehr genau, wenn die Anzahl der Ziele die Menge der tatsächlichen Maßnahmen übersteigt. Sie werten das als Heuchelei – und bewerten dann auch die Produkte und Dienstleistungen der Firma schlechter. Im Schnitt sank der Kundenzufriedenheits-Score bei Unternehmen unter Greenwashing-Verdacht um 1,34 Prozent.
Das klingt nach wenig, kann Unternehmen aber jede Menge Geld kosten. Selbst kleine Veränderungen in der Kundenzufriedenheit können sich spürbar auf den Aktienwert auswirken und das Unternehmen um horrende Summen bringen. Langfristig gibt es also nur einen Weg: Bei der Nachhaltigkeit ehrlich bleiben.
Studie: Transparency: How Greenwashing Affects the Bottom Line
Die weltweite Kunststoffproduktion droht die internationalen Klimaziele zunichte zu machen. Das zeigt eine Studie des Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL) aus dem Jahr 2024. Demnach entstehen ganze 75 Prozent aller Treibhausgasemissionen, die im Lebenszyklus von Kunststoffprodukten freigesetzt werden, bereits vor der Polymerisation. Der größte Teil der Klimabelastung entsteht durch die Förderung und Verarbeitung des benötigten Erdöls.
Selbst wenn ab 2024 alle anderen Emissionsquellen wie Verkehr, Strom, Landwirtschaft und Schwerindustrie auf wundersame Weise komplett dekarbonisiert würden, würde allein die Kunststoffproduktion das globale Kohlenstoffbudget zwischen 2060 und 2083 vollständig aufzehren, so die Studie. Um unterhalb der 1,5-Grad-Grenze zu bleiben, müsste demnach die Primärproduktion von Kunststoff ab 2024 jährlich um mindestens 12 bis 17 Prozent sinken.
Der deutsche Umwelt-Think Tank Agora Energiewende und das britische Beratungshaus Systemiq haben 2023 in einer Studie untersucht, ob mehr Kreislaufwirtschaft den Klimaschutz der Stahl-, Zement- und Kunststoffindustrie verbessert.
Die Antwort ist ein eindeutiges Ja. Im Vergleich zur klassischen Linearwirtschaft könnte eine verbesserte Kreislaufwirtschaft demnach die CO₂-Emissionen in den energieintensiven Wertschöpfungsketten von Stahl, Zement und Kunststoff bis 2045 um insgesamt 25 Prozent senken.
Durch die effizientere Nutzung von Rohstoffen und Energie in zirkulären Prozessen könnte der Energieverbrauch um beachtliche 20 Prozent verringert werden, während gleichzeitig die Transformationskosten für einen wirksameren Klimaschutz um ganze 45 Prozent sinken.
Darüber hinaus reduziere eine kreislauforientierte Industriestrategie den Bedarf an fragwürdigen Verfahren zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS). Außerdem werde durch die Fokussierung auf heimische Ressourcen und eine verbesserte Materialeffizienz die Unabhängigkeit und Krisenfestigkeit der Unternehmen gestärkt.
Um diese Potenziale zu nutzen, formuliert die Studie konkrete Empfehlungen. Dazu gehören die Erfassung von produktinhärenten Emissionen, die Förderung einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung, der Abbau von regulatorischen Hemmnissen und die Etablierung eines geeigneten Monitoringsystems zur Sicherstellung kontinuierlicher Fortschritte.
Studie: Resilienter Klimaschutz durch eine zirkuläre Wirtschaft
Wie verlässlich sind Werbeaussagen zum Thema Nachhaltigkeit? Dieser Frage ging die Europäische Kommission 2020 in einer großangelegten Studie nach. Rechtsexpert:innen analysierten 150 umweltbezogene Produktangaben aus 15 EU-Ländern. Berücksichtigt wurden sowohl die Aussagen auf den Verpackungen als auch die Werbung für die jeweiligen Produkte. Als Bewertungsmaßstab diente der EU-Leitfaden für unlautere Geschäftspraktiken. Das Ergebnis ist alarmierend.
Demnach stuften die Expert:innen 53,3 Prozent (80 von 150) der untersuchten Aussagen als irreführend ein. Rund 36 Prozent der Angaben wurden als unklar und mehrdeutig beurteilt, 31 Prozent als ungenau und ganze 40 Prozent als unfundiert.
Unfundierte Aussagen zeichneten sich häufig durch unzureichende Begründungen aus. Die vorgelegten Informationen wurden als unvollständig oder nicht überzeugend bewertet. Häufig konnte die Werbeaussage nicht mit einer bestimmten Produkteigenschaft in Verbindung gebracht werden.
Studie: Environmental claims in the EU – Inventory and reliability assessment
In einer Studie aus dem Jahr 2023 beschreiben der WWF und die Nachhaltigkeitsberatung Eunomia konkrete Maßnahmen, um die globale Plastikverschmutzung schnellstmöglich zu beenden. Unter anderem empfehlen die Autor*innen ein sofortiges Verbot unsinniger, extrem schädlicher Plastikartikel. Drei Arten von Produkten hat die Studie dabei besonders im Visier:
- Kurzlebige Einwegartikel wie Besteck, Teller, Becher, Ohrstäbchen, Einweg-E-Zigaretten oder Luftballons.
- Einwegartikel, die Kunststofffasern enthalten. Etwa Feuchttücher, Zigarettenfilter, Einweg-Staubsaugerbeutel oder Plastik-Teebeutel.
- Primäres Mikroplastik in Verbrauchsprodukten, beispielsweise Mikroperlen in Shampoo, Zahnpasta oder Hautpflegemitteln.
Nützliche Plastikprodukte, darunter die meisten Verpackungsarten, sollen nicht verboten, sondern weltweit überwacht und reguliert werden, um sie in einem geschlossenen Verwertungskreislauf zu halten. Hierfür schlägt die Studie eine Reihe von Instrumenten vor, darunter ökonomische Anreize für die Kreislaufführung, globale Mindeststandards für Abfallsammlung, Recycling und Rezyklateinsatz sowie ein globales System der erweiterten Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, kurz EPR).
Welche Kunststoffprodukte schädigen unsere Umwelt am meisten? Dieser Frage gehen der WWF und die Londoner Nachhaltigkeitsberatung Eunomia in einer umfassenden Studie aus dem Jahr 2023 nach. Die Autor*innen identifizieren Kunststoffprodukte mit dem höchsten Risiko, früher oder später in der Natur zu landen und dort Schaden anzurichten.
Die Analyse zeigt, dass einige Produkte stärker zur Plastikverschmutzung beitragen als andere und daher möglichst schnell und umfassend gesetzlich reguliert werden sollten. Die vier Risikogruppen sind: Verpackungen, merkmalsspezifische Produkte (vor allem Einwegartikel wie Wattestäbchen, Plastikbesteck etc.), branchenspezifische Produkte (Fischernetze, Agrarfolien) und primäres Mikroplastik.
Die Studie unterscheidet zudem zwischen zwei Arten von Produkten: Die erste Kategorie enthält überflüssige Dinge wie Mikroplastikperlen und Wegwerfartikel, die sofort verboten werden sollten. Kategorie zwei umfasst Plastikprodukte, die sehr nützlich, teilweise sogar unverzichtbar sind und deshalb überwacht und in geschlossenen Kreisläufen gehalten werden sollten. In diese Kategorie fallen die meisten Verpackungsarten.
Die Georg-August-Universität Göttingen und die Agentur für Verbraucherforschung und Lebensmittelmarketing Zühlsdorf und Partner befragten 2.109 Verbraucher*innen in Deutschland zur Wirkung von “Green Claims” im Marketing. Green Claims sind umweltfreundliche Aussagen über ein Produkt. Häufig werden dabei weniger relevante Teilaspekte eines insgesamt ökologisch problematischen Produkts überproportional hervorgehoben.
Die Studie kommt zu einem verheerenden Ergebnis: Die Wirkung von Green Claims auf die Umweltbewertung eines Produkts ist ähnlich stark wie die eines staatlichen Bio-Siegels. Insbesondere der Claim “klimaneutral” beeinflusst die Einschätzung der Klimaverträglichkeit erheblich, obwohl nur zehn Prozent der Bevölkerung mit dem Begriff etwas anfangen könnten.
Das vernichtende Fazit: “Die in der Studie aufgedeckten deutlichen Effekte missverständlicher, unregulierter, ungeprüfter oder fachlich strittiger Green Claims gefährden die Glaubwürdigkeit umweltengagierter Unternehmen und erschweren eine klima- oder umweltfreundliche Lebensmittelwahl der Verbraucher:innen.”
Das Forscherteam fordert EU-weit verpflichtende Umweltangaben, ein verpflichtendes staatliches Klima- oder Umweltzeichen, ein Verbot oder zumindest eine Überprüfung der gesamtökologischen Bedeutung von Green Claims sowie ein Werbeverbot für die Begriffe “Klimaneutralität” und andere Kompensationsbehauptungen.
Studie: Green Claims
Wie bekämpfen Großkonzerne den Klimawandel? Dieser Frage geht die Studie „Corporate Climate Responsibility Monitor 2023“ nach. In einer ausführlichen Analyse nehmen die Autor*innen die Klimaversprechen von 24 Global Playern unter die Lupe, darunter bekannte IT-Firmen, Autobauer, Modefirmen, Fluglinien sowie Getränke- und Lebensmittelhersteller. Alle untersuchten Firmen behaupten, auf dem Weg zu „Netto-Null“ oder „CO2-Neutralität“ zu sein.
Das Ergebnis: Kein einziges Unternehmen wird beim Klimaschutz als glaubwürdig eingestuft, viele fallen komplett durch. Die meisten Vorhaben seien völlig intransparent und reichten bei Weitem nicht aus, um den Klimawandel zu verlangsamen.
Entgegen ihren großspurigen Netto-Null-Ankündigungen werden 22 der 24 Unternehmen ihre Emissionen bis 2030 nur um 15 bis 21 Prozent verringern. Um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen, wären aber mindestens 43 Prozent nötig.
Die große Mehrheit der Unternehmen hatte offenbar nie vor, ihre Klimaversprechen wirklich einzuhalten. Um das zu verschleiern, greifen sie zu altbewährten Tricks: Nebulöse Ankündigungen, irreführende Bilanzierung, zwielichtige CO2-Kompensationen und massives Greenwashing.
Die Produktion von Neuplastik schadet dem Klima deutlich stärker als bislang angenommen. Zu diesem alarmierenden Schluss kommt eine Studie aus dem Jahr 2021, in der Forscher*innen der ETH Zürich die globalen Wertschöpfungsketten von Kunststoff untersucht haben. Anders als bislang angenommen, verursacht die Produktion den allergrößten Teil (96 Prozent) des CO2-Fußabdrucks von Plastik. Als Hauptursache für die steigende Klimabelastung durch Kunststoff sieht die Studie den vermehrten Einsatz von Kohlestrom in der Plastikproduktion. Das gilt primär für die boomende Plastikwirtschaft in Schwellenländern wie China, Indien, Indonesien und Südafrika. Dort stammt die benötigte Energie für die Plastikherstellung zum Großteil aus klimaschädlichen Kohlekraftwerken.
Studie: Growing environmental footprint of plastics driven by coal combustion
In einer Studie aus dem Jahr 2016 hat das Öko-Institut festgestellt, dass Recycling einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Allein das Sammeln und Wiederverwerten von Kunststoffen, Metallen und anderem Leichtverpackungsmaterial über den Gelben Sack erspart der Umwelt jährlich rund 1,9 Millionen Tonnen CO2. Glas- und Papierrecycling bringen zusätzliche Einsparungen von knapp 1,15 Millionen Tonnen pro Jahr. Zusammen ergibt das 3,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid, die in Deutschland allein durch Recycling Jahr für Jahr vermieden werden.
Studie: Recycling ist Zukunft – ökologische Leistungen und Potenziale des dualen Systems
In einem Gutachten aus dem Jahr 2019 bewertet das Öko-Institut die Klimafreundlichkeit verschiedener Recyclingverfahren am Beispiel einer 0,5-Liter-Flasche. Ergebnis: Selbst wenn man den gesamten Energieaufwand aller Recyclingprozesse einbezieht, ist Wiederverwertung stets deutlich klimaschonender als die Neuproduktion desselben Materials. Eine recycelte PET-Flasche, die 20 Prozent aufwändig sortiertes Recyclingmaterial aus dem Gelben Sack enthält, ist dabei ebenso klimaschonend wie eine Flasche aus der sortenreinen Einweg-Pfandsammlung.
Im April 2021 veröffentlichten Forscherinnen und Forscher vom Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn eine Studie, in der sie die weltweiten Auswirkungen der zukünftigen Bioplastikproduktion simulieren. Dafür analysieren sie die Entwicklungen in den fünf großen Produktionsregionen Brasilien, China, EU, USA und Thailand. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die CO2-Fußabdrücke kommerzieller Biokunststoffe sogar noch deutlich größer sind als die Werte, die bislang von Politik und Wissenschaft geschätzt wurden. Die Untersuchung widerspricht damit der populären Annahme, Bioplastik trage zum Klimaschutz bei.
In einer Untersuchung aus dem Jahr 2018 befassen sich Forscherinnen und Forscher vom Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn mit den Umweltauswirkungen der Bioplastikproduktion. Dafür spielen sie mehrere Szenarien durch und kommen zu dem Schluss, dass sich die vermehrte Herstellung von Biokunststoffen negativ auf das Klima auswirken könnte.
Studie: Land use mediated GHG emissions and spillovers from increased consumption of bioplastics
Menschengemachte Stoffe wie Plastik gefährden die Stabilität der Erdsysteme. Zu diesem Schluss kommt eine Studie aus dem Jahr 2022, in der ein internationales Forscherteam die Auswirkungen synthetischer Chemikalien und anderer „neuartiger Entitäten“ auf die Umwelt untersucht. Die Menschheit habe bei Umweltschadstoffen wie Kunststoffen, Pestiziden, Industriechemikalien und Pharmazeutika eine planetarische Grenze überschritten, so die Studie. Es gebe überwältigende Beweise für negative Auswirkungen auf die Systeme der Erde und ihr Zusammenspiel, einschließlich biologischer Vielfalt und biogeochemischer Kreisläufe. Die Darstellung bezieht sich auf ein 2009 entwickeltes Modell zur Belastungsfähigkeit der Erde. Es beschreibt neun Grenzen, die den stabilen Zustand des Planeten bestimmen, darunter Treibhausgase, Ozonschicht, Wälder, Süßwasser und Biodiversität. Vier dieser Grenzen waren bereits 2015 überschritten. Mit menschengemachten Stoffen kommt die fünfte Grenze hinzu. Als Gegenmaßnahme empfiehlt die Studie eine weltweite Obergrenze für die Chemikalienproduktion sowie die Umstellung auf Kreislaufwirtschaft und Recycling.
Studie: Outside the Safe Operating Space of the Planetary Boundary for Novel Entities
Chemisches Recycling
Wie wirkt sich mehr chemisches Recycling auf das Klima aus? Dieser Frage geht das deutsche Öko-Institut in einer Studie aus dem Jahr 2022 nach. Die Autor*innen analysieren Berechnungen, die das britische Beratungshaus Eunomia im Auftrag der Europäischen Union durchgeführt hat.
Eunomia sollte kalkulieren, wie viel Kunststoffrezyklat chemisches und werkstoffliches Recycling beisteuern müssten, um die EU-Ziele für den Recyclinganteil bei Kunststoffverpackungen zu erreichen. Die Berechnungen von Eunomia gehen davon aus, dass der Anteil des chemischen Recyclings (in diesem Fall Pyrolyse) deutlich steigen muss.
Für das Klima sind die Ergebnisse des Öko-Instituts alarmierend: Demnach verursacht das chemische Recycling deutlich mehr Treibhausgase (THG) und Materialverluste als das werkstoffliche Recycling. In allen betrachteten Szenarien entfallen mehr als 75 Prozent der Gesamtemissionen auf das chemische Recycling.
Das liegt daran, dass die Pyrolyse neunmal mehr CO2-Emissionen verursacht als das mechanische Recycling. Während beim chemischen Recycling 2,91 Kilogramm CO2 pro Kilogramm Rezyklat entstehen, sind es beim werkstofflichen Recycling nur 0,311. Ein weiteres Problem ist, dass bei der Pyrolyse mehr als die Hälfte des Eingangsmaterials verloren geht und durch Neukunststoff ersetzt werden muss.
Würden in der Modellrechnung von Eunomia 30 Prozent des chemischen Recyclings auf werkstoffliches Recycling umgestellt und gleichzeitig die Menge der Verpackungsabfälle um ein Fünftel reduziert, könnten die Emissionen fast halbiert werden (45 Prozent).
Das Forschungsteam des Öko-Instituts kommt daher zu dem Schluss, dass mechanisches Recycling, wo immer möglich, gefördert und rechtlich der Pyrolyse vorgezogen werden sollte.
Studie: Climate impact of pyrolysis of waste plastic packaging in comparison with reuse and mechanical recycling (pdf)
Eine Studie aus dem Jahr 2023 hat die Umweltauswirkungen verschiedener Kunststoff-Recyclingverfahren in Japan untersucht. Die Ergebnisse offenbaren deutliche Klimaschutz-Vorteile für das in Japan weit verbreitete mechanische Recycling. Vor allem im direkten Vergleich mit bestimmten chemischen Verfahren, die in den letzten Jahren als ernstzunehmende Alternative in Betracht gezogen werden.
Die Studie vergleicht den Energieverbrauch und die Umweltauswirkungen des mechanischen Recyclings mit zwei Arten des chemischen Recyclings: dem Koksofen (Coke Oven) und der sogenannten Gasification. Im Hinblick auf das Erderwärmungspotenzial schneidet die mechanische Verwertung mit deutlichem Abstand am besten ab. Während mechanisches Recycling nur zu 17 Prozent zur globalen Erwärmung beiträgt, sind es bei der Gasification 32 Prozent und beim Koksofen-„Recycling“ sogar erschreckende 51 Prozent.
Das Erderwärmungspotenzial (Global Warming Potential, GWP) beschreibt, wie viel Wärme ein Treibhausgas (wie CO2, Methan oder Lachgas) über einen bestimmten Zeitraum in der Atmosphäre speichert. Heißt in aller Deutlichkeit: Die beschriebenen chemischen Verfahren treiben den Klimawandel deutlich stärker voran als das mechanische Recycling.
Trotz des deutlich höheren GWP-Wertes versucht die Studie, einige Vorteile der chemischen Verfahren herauszustellen. Zum Beispiel die Möglichkeit, hochwertige Produkte und nützliche Nebenprodukte zu erzeugen. Allerdings täuscht auch das nicht über die verheerenden Klimaauswirkungen hinweg.
In einer umfassenden Studie aus dem Jahr 2023 vergleicht das US-amerikanische National Renewable Energy Laboratory (NREL) mechanisches Recycling mit verschiedenen Arten des Chemie-Recyclings. Die Studienergebnisse beleuchten die Probleme des chemischen Recyclings und heben klar die Vorteile des mechanischen Recyclings hervor.
Demnach übertraf mechanisches Recycling alle anderen Technologien sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch. Auch aus dem direkten Vergleich mit der Herstellung von Neuplastik ging das mechanische Recycling in beiden Kategorien als Sieger hervor. Ganz anders das chemische Recycling.
Laut Studie sind vor allem zwei Lieblingsverfahren der Chemie-Recycler, Pyrolyse und Vergasung (Gasification), zwischen 10 und 100 Mal schädlicher für die Umwelt als die Herstellung von Neuplastik. Grund dafür ist die geringe Materialausbeute sowie der hohe Energiebedarf für die Umwandlung und anschließende Aufbereitung.
Angesichts dieser Erkenntnisse ziehen die Autor*innen das klare Fazit: Mechanisches Recycling ist die überlegene Methode für die Wiederverwertung von Plastikabfällen.
In einer Meta-Studie aus dem Jahr 2021 nimmt die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) das sogenannte chemische Recycling für Plastikabfälle unter die Lupe. Hierfür werteten die Autor*innen 228 Forschungsarbeiten und andere Publikationen aus, die seit 2015 zu chemischem Recycling veröffentlicht wurden. Zusätzlich wurden 22 Expert*innen befragt.
Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass die verschiedenen Technologien des Chemie-Recyclings nach wie vor etliche Fragen aufwerfen. Ungeklärt ist demnach vor allem der Verbleib der zahlreichen „besorgniserregenden Substanzen“, die bei den unterschiedlichen Arten der chemischen Verwertung entstehen. Als „besorgniserregend“ gelten unter anderem Stoffe, die krebserregend oder genverändernd wirken, das menschliche Hormonsystem stören oder sich als Giftstoffe in der Umwelt anreichern.
Laut der ECHA-Untersuchung gibt es alarmierend wenige wissenschaftliche Erkenntnisse über die Fähigkeit der chemischen Recyclings, diese gefährlichen Stoffe zu managen und zu beseitigen. Die Ergebnisse stehen damit in klarem Widerspruch zu geläufigen Marketing-Behauptungen der Chemie-Recycler, ihre Verfahren lieferten zuverlässig schadstofffreie Materialqualitäten.
Studie: Chemical Recycling of Polymeric Materials from Waste in the Circular Economy
Mechanisches Recycling ist weltweit mit weitem Abstand das dominierende Verfahren für die Wiederverwertung von Kunststoff. Und das wird auch so bleiben. Denn die Recyclingbranche setzt kaum Hoffnung in alternative Technologien wie das sogenannte chemische Recycling oder kompostierbare Biokunststoffe. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der ETH Zürich aus dem Jahr 2020, die 150 Recyclingunternehmen aus 38 Ländern zur Entwicklung des Plastikrecyclings befragte. Statt auf Bioplastik oder Chemie zu setzen, betonen die Recycler den dringenden Bedarf an recyclingfreundlicheren Verpackungen. Sie sehen Verbrauchermarken und Verpackungsunternehmen in der Pflicht, das Design für Recycling zu verbessern und eine Nachfrage nach Rezyklat zu schaffen, um eine Kreislaufwirtschaft für Verpackungen zu erreichen.
Umfrage: Global Recycling Survey 2020
In einem Positionspapier aus dem Jahr 2022 nimmt der WWF Deutschland Stellung zu sogenanntem chemischem Recycling. Die NGO bewertet das Verfahren äußerst kritisch und bemängelt die immer noch dünne Faktenlage zu Nutzen, Energieaufwand und Ressourcenverbrauch. Insgesamt gingen chemische Recycler nach wie vor zu intransparent mit dem Thema um. Die wenigen verfügbaren Daten ließen allerdings recht deutlich darauf schließen, dass chemisches Recycling der Umwelt und der menschlichen Gesundheit schadet. Besonders in Ländern mit unzureichenden Regulierungen, etwa im globalen Süden, hält der WWF Menschenrechtsverletzung durch chemisches Recycling für möglich. Zudem könnte das Verfahren die Plastikproduktion weiter anfeuern und bisherige Fortschritte bei der Reduzierung von Plastik und bei Design für Recycling untergraben – und somit das wesentlich umweltfreundlichere mechanische Recycling verdrängen.
Positionspapier: WWF-Position “Chemisches Recycling”
In einer wissenschaftlichen Analyse von 2020 beziehen der Forscher Dr. Andrew N. Rollinson und die Forscherin Dr. Jumoke Oladejo Stellung gegen das sogenannte chemische Recycling. Laut ihres Berichts sind chemische Recyclingverfahren umweltschädlich, energieintensiv und weisen zahlreiche technische Mängel auf. Die Autor*innen kommen daher zu dem Schluss, dass Chemie-Recycling keine effektive Form der Altplastikverwertung ist und wegen seines hohen Eigen- und Nebenenergiebedarfs nicht als nachhaltige Technologie infrage kommt. Den vermeintlich guten Ruf des Verfahrens führen sie auf eine verzerrte Berichterstattung zurück. Zusammen mit einem Mangel an unabhängigen Erkenntnissen habe das dazu geführt, dass die Technologie weit über ihren Möglichkeiten dargestellt werde.
Studie: Chemical Recycling: Status, Sustainability, and Environmental Impacts.
Öl- und Chemiekonzerne rühren gerne die Werbetrommel für das sogenannte „chemische Recycling“. Angeblich handele es sich dabei um eine ökologisch sinnvolle und klimaschonende Verwertung von Plastikmüll. Diese Behauptungen wollen die Konzerne regelmäßig mit eigens beauftragten Studien untermauern. Doch wie seriös sind solche Analysen? Um das herauszufinden, haben namhafte Umweltorganisationen, darunter die DHU, der NABU und Zero Waste Europe, konzerneigene Ökobilanzen zur chemischen Verwertung unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Sämtliche Darstellungen sind tendenziös und unglaubwürdig. Ein im Dezember 2020 veröffentlichtes Analysepapier geht systematisch auf Schwachpunkte, Fehler und Falschaussagen ein.
Chemiekonzerne und Plastikhersteller behaupten gerne, die Zukunft des Recyclings liege in der chemischen Verwertung. Das Umweltbundesamt (UBA) ist da ganz anderer Ansicht. In einem 2020 veröffentlichten Hintergrundpapier spricht Deutschlands oberste Umweltbehörde dem chemischen Recycling jeglichen Nutzen ab: Die eingesetzten Technologien seien nicht ausgereift, der ökologische Nutzen wegen des hohen Energieverbrauchs und der entstehenden Schadstoffe mehr als zweifelhaft. Das ganze Verfahren ist so fragwürdig, dass das UBA es nicht als richtiges Recycling anerkennt.
Bioplastik
Hersteller von Bioplastik behaupten, dass sich ihre Produkte in der Natur abbauen und deshalb keine Umweltschäden verursachen. Ob das wirklich so ist, hat 2019 eine Studie der britischen University of Plymouth untersucht. Die Wissenschaftler Imogen Napper und Richard Thompson setzten kompostierbare Plastikbeutel verschiedenen Umwelteinflüssen aus. Nach drei Jahren waren die Tüten nicht nur nicht zerfallen, sie waren sogar immer noch stabil genug, um ein Füllgewicht von zwei Kilo zu tragen.
Im Jahr 2018 ließ das Umweltbundesamt in einem Gutachten unterschiedliche Forschungsarbeiten auswerten, die sich mit der Abbaubarkeit von Biokunststoffen auseinandersetzen. Fazit: Selbst Materialien, die speziell für die Zersetzung entwickelt wurden, können Monate bis Jahre in der Umwelt verbleiben. Ob sie sich im Erdboden, in Salzwasser oder in Süßwasser befinden, spielt dafür kaum eine Rolle.
Studie: Gutachten zur Behandlung biologisch abbaubarer Kunststoffe
In einer gemeinsamen Forschungsarbeit aus dem Jahr 2020 beschäftige sich das Frankfurter Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE), die Technisch-Naturwissenschaftliche Universität Norwegen und die Goethe-Universität Frankfurt mit der chemischen Zusammensetzung von Bioplastik. Die Untersuchung analysiert 43 Alltagsgegenstände aus Bioplastik, darunter Einweggeschirr, Trinkflaschen und Schokoladenpapier. Mit alarmierendem Ergebnis: Drei Viertel aller untersuchten Produkte enthielten mindestens eine schädliche Chemikalie.
Plastikmüll im Meer
Plastikmüll treibt nicht nur an der Meeresoberfläche sein Unwesen, sondern auch in der Tiefsee. Eine Studie der australischen Wissenschaftsorganisation CSIRO und der Universität Toronto aus dem Jahr 2024 legt nahe, dass die Plastikverschmutzung am Meeresboden sogar bis zu hundertmal höher sein könnte als an der Oberfläche.
Die Forscher*innen konnten mit Hilfe von ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugen und speziellen Netzen die Menge des Plastikmülls auf dem Boden erstmals genauer bestimmen. Das alarmierende Resultat: Zwischen drei und elf Millionen Tonnen Plastikmüll befinden sich dort. Die hohe Menge ist auch deshalb ein Problem, weil sich die Kunststoffteile in der kalten, sauerstoff- und lichtarmen Tiefsee noch langsamer zersetzen als an der Oberfläche. Der Meeresboden wird so zu einem Langzeitlager für Plastikmüll mit ungeahnten Folgen für das Ökosystem.
Studie: Plastics in the deep sea – A global estimate of the ocean floor reservoir
Diese 2022 veröffentlichte Meta-Studie des WWF und des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) liefert den bislang umfassendsten Bericht über die Plastikvermüllung der Meere. Für den Bericht haben die Forschenden die Ergebnisse aus 2592 wissenschaftlichen Untersuchungen zusammengetragen und dokumentieren damit das verheerende Ausmaß, das die Kunststoffbelastung der Weltmeere mittlerweile angenommen hat. Demnach sind fast alle Lebewesen im Meer von Plastikverschmutzung betroffen. Annähernd 90 Prozent der untersuchten Arten nehmen dadurch Schaden. Plastik dringt in sämtliche Nahrungsketten ein und schädigt zudem wichtige marine Ökosysteme, etwa Korallenriffe und Mangroven. Mehrere Meeresregionen, darunter das Mittelmeer, das Ostchinesische und das Gelbe Meer haben bereits kritische Verschmutzungswerte überschritten. Geht die Vermüllung ungebremst weiter, könnte sich die Menge an Meeresplastik bis in 30 Jahren vervierfachen. Selbst bei einem sofortigen Müllstopp verdoppelt sich das Mikroplastik in den Weltmeeren in den kommenden Jahren.
In einer internationalen Studie aus dem Jahr 2021 setzen sich Forscher*innen aus Schweden, Norwegen und Deutschland mit der zunehmenden Verschmutzung der Weltmeere durch Plastikmüll auseinander. Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass Plastikmüll im Meer eine globale Bedrohung darstellen kann und daher dringend verhindert werden muss. Neben offensichtlichen Schäden für die lokale Tier- und Pflanzenwelt könne die Plastikverschmutzung unter Umständen zu Kettenreaktionen mit weltweiten Folgen führen. Unter anderem könnte sie den Klimawandel beschleunigen. Denn Kunststoff stört die sogenannte Kohlenstoffpumpe der Ozeane: Mikroplastik verzögert das Wachstum von Blaualgen und Phytoplankton, die für gewöhnlich große Mengen CO₂ aus der Atmosphäre aufnehmen und speichern. Die Folgen sind nicht absehbar.
Artikel im Science Magazine: „The global threat from plastic pollution“
Artikel der Universität Stockholm: „Is global plastic pollution nearing an irreversible tipping point?“
Jedes Jahr landen elf Millionen Tonnen Plastikmüll im Meer. Ändern wir nichts an unserem Verhalten, könnten es bis 2040 bereits 29 Millionen sein. Zu diesem Schluss kommt die Untersuchung „Die Plastikwelle stoppen“, die der britische Umwelt-Thinktank Systemiq 2020 gemeinsam mit der Ellen-MacArthur-Foundation und weiteren Partnern veröffentlicht hat. Verhindern ließe sich das laut Studie mit konsequenter Kreislaufwirtschaft und effektivem Recycling: Notwendig seien unter anderem innovative Recyclingtechnologien, recyclingfreundlichere Verpackungen und bessere Müllsammelsysteme.
Plastikmüll aus dem Meer zu fischen und anschließend zu recyceln, ist zwar spektakulär und werbewirksam, aber in Wahrheit sinnlos. Festgestellt hat das eine wissenschaftliche Studie, die das Bremer Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) im Jahr 2020 veröffentlicht hat. Projekte wie „The Ocean Cleanup“ des Niederländers Boyan Slat können demnach nur etwas mehr als 5 Prozent des Plastiks aus dem Meer holen – und dabei schaden die Fangnetze und Maschinen noch den marinen Ökosystemen. Stattdessen empfehlen die Forscherinnen und Forscher, Plastik zu reduzieren, die Produzenten stärker in die Pflicht zu nehmen und Recycling zu fördern.