Verbraucher*innen zweifeln zunehmend an den Nachhaltigkeitsbehauptungen von Unternehmen. Nicht ganz zu Unrecht, wie eine Studie zeigt. Mit strengen Regeln gegen Greenwashing will die EU das Vertrauen zurückgewinnen. Mehr
Seit März 2021 enthalten die komplett recycelten PET-Reinigerflaschen der Marke Frosch 50 Prozent Altplastik aus dem Gelben Sack. Das ist weltweit einzigartig. Hier erklärt Immo Sander, Chef der Verpackungsentwicklung bei Werner & Mertz, wie diese Pionierleistung möglich war, warum die Dualen System Downcycling in der Vergangenheit präferiert haben, und wie aktuelle Verpackungstrends der Nachhaltigkeit dienen.
Herr Sander, was ist das Besondere daran, Altplastik aus dem Gelben Sack zu recyceln?
Das Besondere ist, dass es bis vor wenigen Jahren niemand gemacht hat. Das mag jetzt vielleicht seltsam klingen für alle, die seit 30 Jahren brav ihren Verpackungsmüll trennen. Die Wahrheit ist: Seit seiner Gründung war das Duale System in Deutschland im Grunde nur eine riesige Downcycling-Maschinerie. Aus den alten Verpackungen wieder neue zu machen, wurde nie konsequent gefordert und gefördert. Unter anderem fehlte es auch an Bedarf und Abnehmern für hochwertig recycelte Kunststoffe.
Was passiert wirklich mit dem ganzen Verpackungsplastik?
Bis heute geht der allergrößte Teil des Kunststoffs in einfache technische Produkte der Bauindustrie, Parkbänke oder in Bekleidung. Das sind alles Downcycling-Produkte, die am Ende verbrannt werden müssen, weil sie kaum wieder recycelt werden. Mit Kreislaufwirtschaft hat das nichts zu tun. Den meisten Leuten ist gar nicht bewusst, welche Materialverschwendung in Deutschland hinter dem Begriff “Recycling” steckt. Aus ihren Verpackungen wird in der Regel nicht das, was sie sich ausmalen – nämlich neue Verpackungen. Anders ist das erst, seit wir uns der Sache angenommen haben.
Seit wann nutzt Werner & Mertz Altplastik aus dem Gelben Sack?
Im Jahr 2014 haben wir für die Marke Frosch die erste vollständig recycelte PET-Flasche auf den Markt gebracht, deren Material zu 20 Prozent aus dem Gelben Sack gewonnen wurde. Das war weltweit das erste Mal, dass aus gemischten Endkonsumentenabfällen wieder hochwertige Verpackungen hergestellt wurden.
Am Anfang haben alle Fachleute behauptet, das sei viel zu aufwändig, zu teuer und zu kompliziert. Heute wissen wir, dass es technologisch gar kein Problem ist. Wir waren nur die ersten, die es einfach getan haben, weil wir es für sinnvoll hielten. Bis heute unterscheidet uns diese Mentalität von den meisten anderen Unternehmen.
Seit 2021 beträgt der Gelbe-Sack-Anteil in den PET-Flaschen der Marke Frosch nicht mehr 20, sondern 50 Prozent. Wie wurde diese Erhöhung ermöglicht?
Wir hatten schon lange vor, den Materialanteil aus dem Gelben Sack zu erhöhen. Bislang war aber die Technologie noch nicht weit genug, um recyceltes PET mit der benötigten Transparenz und Qualität herzustellen. Das hat sich geändert, als unser Partner Alpla 2018 beschlossen hat, noch stärker in das Thema zu investieren und am Standort Wolfen ein neues Recyclingwerk zu bauen. Seit Oktober 2020 wird dort hochwertiges PET aus dem Gelben Sack recycelt, das vor allem für Verpackungen von Reinigungsmitteln und Kosmetika zum Einsatz kommt.
Werner & Mertz optimiert den Einsatz von mechanisch recyceltem Kunststoff permanent und produziert Flaschen aus 100 Prozent Post-Consumer-Rezyklat. Seit Mitte 2023 stammen zwischen 75 und 100 Prozent davon aus dem Gelben Sack.
Welche Vorteile bietet das neue Werk?
Das Recycling läuft dort sehr effizient, weil alle Prozessschritte an einem Ort stattfinden. Für die hohe Qualität des Recyclats kommen intelligente Sortiersysteme zum Einsatz, die unter anderem mit weiterentwickelter Infrarottechnologie arbeiten. Außerdem hat Alpla in Wolfen ein Problem gelöst, an dem immer noch viele scheitern, nämlich ausnahmslos alle Stoffströme sinnvoll zu verwerten. In unserem Fall betrifft das etwa bunte PET-Flaschen oder Schraubdeckel aus Material, das wir nicht verwenden können. Statt sie einfach auszusortieren und zu verbrennen, werden sie in Wolfen separat gesammelt und recycelt.
Warum tun sich viele Unternehmen immer noch so schwer mit Recycling aus dem Gelben Sack?
Rein technologisch könnte uns das jeder nachmachen. Die meisten scheitern aber an internen Widerständen und fehlenden Abnehmern. Etwa wenn das Marketing befürchtet, die Flaschen könnten ein wenig anders aussehen als vorher. Zum Glück geraten diese Widerstände mehr und mehr ins Wanken. Vor allem in der Reinigungsmittel- und Kosmetikindustrie herrscht mittlerweile großes Interesse an hochwertigem PET-Recyclat aus dem Gelben Sack, wie es in Wolfen entsteht. Man wird jetzt immer häufiger sehen, dass auch andere Marken Material aus dem Gelben Sack nutzen und damit werben. Damit tun sie endlich das, wozu wir sie schon lange animieren. Es wird noch dauern, bis sie so weit sind wie wir, aber passieren wird es auf jeden Fall.
Gibt es weitere wichtige Nachhaltigkeitstrends in der Verpackungsentwicklung?
Wir können sicher sein, dass sich das Erscheinungsbild und die Funktionen von Verpackungen in den kommenden fünf bis zehn Jahren dramatisch verändern werden. Nicht zuletzt, weil immer mehr Händler und Hersteller endlich die Bedeutung von Design for Recycling verstehen. Und weil auch die Endkonsumenten ihren Umgang mit Verpackungen verändern werden. Das Thema ist angekommen.
Woran machen Sie das fest?
Beispielsweise setzen einige Unternehmen verstärkt auf Verpackungen aus PET, weil es sich sehr gut recyceln lässt. Außerdem sind PET-Flaschen heute immer seltener gefärbt, weil die Farben das Recycling erschweren. Stattdessen lässt man sie transparent und ummantelt sie mit einer dünnen, bedruckbaren Plastikfolie. Das ist sehr sinnvoll, weil man so im Recycling deutlich mehr reines Material zurückerhält, das sich hochwertig verwerten lässt. All diese Dinge predigen wir schon sehr lange. Umso mehr freut es mich, dass sie sich langsam aber sicher durchsetzen.
Wie geht es weiter mit dem Recycling aus dem Gelben Sack? Sind bei PET-Flaschen mehr als 50 Prozent möglich?
Absolut. Jetzt, da wir gemeinsam mit unseren Partnern die nötige Technologie etabliert haben, lässt der nächste Prozentsprung wahrscheinlich nicht mehr lange auf sich warten. Insgesamt ist die Marschrichtung natürlich klar: Schon bald wollen wir all unsere PET-Flaschen zu einhundert Prozent mit recyceltem PET aus dem Gelben Sack herstellen.