Viele Firmen werben mit Nachhaltigkeit, um ihr Image aufzupolieren – doch die Realität sieht oft anders aus. Aktuelle Studien belegen, dass ein Großteil der grünen Werbeversprechen Verbraucher*innen in die Irre führt. Wie verbreitet ist Greenwashing wirklich und welche Folgen hat es für Unternehmen und Umwelt? Wir haben uns aktuelle Studien genauer angeschaut.
Ob “klimaneutral”, “umweltfreundlich” oder “nachhaltig” – grüne Versprechen zieren immer mehr Produkte in den Supermarktregalen. Doch wie ehrlich meinen es die Unternehmen mit dem Umweltschutz? Eine großangelegte Studie der Europäischen Kommission zeigt: Mehr als die Hälfte der untersuchten Öko-Werbeaussagen ist irreführend.
Insgesamt nahmen Rechtsexpert*innen 150 umweltbezogene Produktangaben aus 15 EU-Ländern unter die Lupe. Das alarmierende Ergebnis: 53,3 Prozent der Aussagen stuften sie als irreführend ein. Rund 36 Prozent waren unklar oder mehrdeutig formuliert, 31 Prozent ungenau und 40 Prozent schlicht unfundiert, also ohne Bezug zu belegbaren Tatsachen. Ein ernüchterndes Zeugnis für die Werbeversprechen der Konzerne.
Verbraucher*innen fallen auf Greenwashing rein
Doch warum ist Greenwashing so gefährlich? Eine Studie der Georg-August-Universität Göttingen liefert Antworten. Die Forscher*innen untersuchten, wie stark umweltfreundliche Aussagen über ein Produkt (sogenannte Green Claims) die Kaufentscheidungen von Verbraucher*innen beeinflussen.
Häufig wurden dabei positive, aber irrelevante Teilaspekte eines ansonsten ökologisch problematischen Produkts überproportional hervorgehoben. Das Ergebnis der Untersuchung: Green Claims wirken ähnlich überzeugend wie staatlich geprüfte Bio-Siegel – selbst wenn die Aussagen ungeprüft, fachlich umstritten oder einfach falsch sind.
Gerade die beliebte Aussage “klimaneutral” beeinflusst die Einschätzung der Umweltverträglichkeit eines Produkts enorm. Dabei wissen laut der Studie gerade mal zehn Prozent der Bevölkerung, was der Begriff überhaupt bedeutet. Irreführende Öko-Claims erschweren es Verbraucher*innen erheblich, wirklich nachhaltige Produkte zu erkennen. Zugleich gefährden sie die Glaubwürdigkeit von Unternehmen, die sich ernsthaft für den Umweltschutz engagieren.
Konzerne brechen ihre Klimaversprechen
Vor allem bei der Klimakrise versagen viele Unternehmen auf ganzer Linie, wie die Studie “Corporate Climate Responsibility Monitor 2023” belegt. Die Forscher*innen analysierten die Klimaziele von 24 globalen Konzernen, die vollmundig “Netto-Null” oder “CO₂-Neutralität” versprechen – darunter bekannte IT-Firmen, Autobauer und Lebensmittelriesen.
Das vernichtende Urteil: Kein einziges Unternehmen wurde als glaubwürdig eingestuft. Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssten die Firmen ihre Emissionen bis 2030 im Schnitt um mindestens 43 Prozent senken. Tatsächlich planen 22 der 24 Konzerne aber nur mickrige 15 bis 21 Prozent. Stattdessen kaschieren sie ihre Untätigkeit durch vage Ankündigungen, irreführende Bilanzen und dubiose CO₂-Kompensationen – klassisches Greenwashing.
Greenwashing schadet dem Geschäft
Die gute Nachricht: Auf lange Sicht zahlen sich die grünen Lügen für Unternehmen nicht aus. Das zeigt eine weitere Studie eindrucksvoll. Darin untersuchten Forscher*innen 202 US-Firmen über acht Jahre hinweg. Sie verglichen die Nachhaltigkeitsversprechen mit den tatsächlichen Maßnahmen und Daten zur Kundenzufriedenheit.
Ergebnis: Wenn Unternehmen weniger fürs Klima tun als angekündigt, nehmen die Kund*innen das als Heuchelei wahr – und strafen es ab. Bei Firmen unter Greenwashing-Verdacht sank die Kundenzufriedenheit im Schnitt um 1,34 Prozent. Klingt erstmal wenig, kann sich aber verheerend auf Aktienwert und Umsatz auswirken. Greenwashing schadet also nicht nur der Umwelt, sondern auf Dauer auch den Unternehmen selbst.
Fazit: Die Studien zeigen eindrucksvoll, dass in Sachen Nachhaltigkeit noch viel Luft nach oben ist. Irreführende Werbeversprechen sind weit verbreitet. Sie täuschen Verbraucher*innen und torpedieren effektiven Umweltschutz – mit potenziell fatalen Folgen fürs Klima. Dabei bietet echtes Engagement für Nachhaltigkeit enorme Chancen, um Kund*innen zu binden und gleichzeitig Verantwortung für Umwelt und Zukunft zu übernehmen.
Doch dafür braucht es einen radikalen Kurswechsel: Weg von grünen Märchen, hin zu messbaren Fakten und wirkungsvollen Maßnahmen. Nur wenn die vollmundigen Ankündigungen auch Taten folgen, können wir die drängendsten Umweltprobleme noch in den Griff bekommen. Höchste Zeit also, dass die Unternehmen ihre Hausaufgaben machen – im eigenen Interesse und im Interesse von uns allen.
Zeit für Zahlen: Aktuelle Umweltstudien im Check
In unserer Reihe „Zeit für Zahlen“ analysieren wir regelmäßig die neuesten Studien zu Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Klimawandel. Ihr wollt tiefer in das Thema Greenwashing eintauchen? Hier findet ihr alle Quellen aus diesem Artikel:
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