Das mechanische Plastik-Recycling funktioniert bereits hervorragend. Dennoch arbeiten Unternehmen und Wissenschaftler*innen daran, die Technologie weiter zu verbessern. Viele neue Erfindungen klingen nach Science-Fiction, könnten aber schon zeitnah in der Praxis ankommen.
Ob Plastikverpackungen sinnvoll recycelt werden, entscheidet sich auf dem Fließband. Verwertungsanlagen identifizieren die unterschiedlichen Plastiksorten und gruppieren sie nach Materialklassen: PET zu PET, PP zu PP, Folien zu Folien, Mischkunststoffe zu Mischkunststoffen. Gelingt das sortenrein, lässt sich Plastik sehr hochwertig recyceln. Hinter diesen Verfahren steckt eine komplexe Technologie, die seit den Anfangstagen des Recyclings permanent weiterentwickelt wird.
Wo vermeintliche Alternativen wie das sogenannte chemische Recycling seit Jahrzehnten auf der Stelle treten und die immergleichen Verfahren als Fortschritt vermarkten, bringt die werkstoffliche Verwertung regelmäßig echte Recyclinginnovationen hervor. Hier geben wir einen kurzen Überblick zu einigen der spannendsten Zukunftstechnologien im mechanischen Recycling.
Einmal durchleuchten, bitte: Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIR)
Die Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIR) zählt aktuell zu den verbreitetsten Technologien für das automatische Sortieren von Kunststoffabfällen. In modernen Recyclinganlagen rauschen die Verpackungsabfälle aus der haushaltsnahen Sammlung über kilometerlange Förderbänder, auf denen sie zuerst grob- und dann feinsortiert werden. Die NIR-Spektroskopie identifiziert mittels Infrarotlicht die verschiedenen Plastiksorten und trennt sie sortenrein.
Die einzelnen Plastikarten reflektieren unterschiedliche Wellenlängen. So erkennt das System, ob es sich bei der gescannten Verpackung um PET, PE, PP oder eine andere Kunststoffsorte handelt. Eine Software wertet die NIR-Informationen in Millisekunden aus und schießt die identifizierte Verpackung mit einer Druckluftdüse in bereitstehende Auffangbehälter.
Die NIR-Spektroskopie in Kombination mit einer Kamera-Objekterkennung gilt derzeit als eine der besten Technologien im Kunststoffrecycling. Sie liefert beim schnellen Verarbeiten großer Abfallmengen sehr zuverlässig hohe Sortierquoten. Probleme hat das Verfahren allerdings mit schwarzen Verpackungen. Sie reflektieren das Infrarotlicht kaum und werden daher häufig nicht richtig erkannt. Da die Technologie permanent weiterentwickelt wird, dürfte diese kleine Schwachstelle bald behoben sein. Erste Ansätze gibt es bereits.
Beschossene Schnipsel: Laserspektroskopie
Diese Technologie wurde vom deutschen Unternehmen Unisensor entwickelt. Zum Einsatz kommt sie für die Feinsortierung von bereits geschredderten Kunststoff-Flakes. Auch nach einer gründlichen Vorsortierung der Verpackungen finden sich unter den Rezyklat-Schnipseln meist noch Fremd- und Störstoffe. Für wirklich hochwertiges Recycling müssen die einzelnen Materialfraktionen aber so sortenrein wie möglich sein. Dafür bringen starke Laser die Plastikteilchen zum Fluoreszieren. Da die Fremdstoffe in anderen Farben leuchten als das Rezyklat, kann das System sie gezielt aussortieren.
Die Laserspektroskopie erkennt viele verschiedene Verunreinigungen im Plastikstrom. Auch Problemstoffe wie PVC (das in der Sortierung dem PET ähnelt) und Verbundmaterial kann sie sicher detektieren. Selbst neuere Materialien wie der pflanzenbasierte Kunststoff PLA können aussortiert werden. Die Laserspektroskopie ist ein zukunftsweisendes Verfahren, gilt aktuell allerdings auch als teuer – was seiner flächendeckenden Verbreitung bislang noch im Wege steht.
Vorsortieren war vorgestern: Advanced Mechanical Recycling (AMR)
Als Advanced Mechanical Recycling (AMR) beschreibt das norwegische Unternehmen Tomra ein Verfahren, das klassisches werkstoffliches Recycling auf ein völlig neues Level bringen soll. Tomra ist Weltmarktführer für moderne Sammel- und Sortiersysteme und investiert seit Jahren kräftig in die Weiterentwicklung des mechanischen Recyclings.
Beim Advanced Mechanical Recycling durchlaufen Verpackungsabfälle eine Vielzahl von Heißwasch-, Geruchsentfernungs- und Säuberungsprozessen. Am Ende entsteht ein Rezyklat, das mit Neuplastik vergleichbar und für funktionsgleiche Produkte einsetzbar ist. Anders als bei konventionellen Recyclinganlagen kann der Kunststoffabfall beim AMR sogar mit Hausmüll vermischt sein und muss nicht vorsortiert werden, um hochreines Rezyklat zu erhalten.
Wie das funktioniert, kann man im rheinland-pfälzischen Lahnstein bestaunen. Anfang 2021 nahm Tomra hier gemeinsam mit dem österreichischen Plastikhersteller Borealis und dem Anlagenbauer Zimmermann eine AMR-Pilotanlage in Betrieb. Die Demonstrationsfabrik trennt, sortiert, säubert und verarbeitet unterschiedlichste Kunststoffe aus dem Hausmüll und dem Gelben Sack und produziert pro Jahr rund 10.000 Tonnen hochwertiges Rezyklat.
Was bislang noch zu Vorführzwecken gedacht ist, könnte tatsächlich schon bald die Zukunft des mechanischen Recyclings sein. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber dennoch: Wegen der Vielzahl an Sortier- und Reinigungsschritten verbraucht AMR entsprechende Mengen Energie. Das ist also definitiv ein Thema, das man im Blick behalten sollte.
Leuchtender Plastikmüll: Tracer-based Sorting (TBS)
TBS ist ein innovativer Ansatz, um die Sortierleistung in konventionellen Recyclinganlagen zu verbessern. Hierfür werden die Verpackungen bereits bei der Produktion mit einer fluoreszierenden Substanz markiert. Bei normalem Tageslicht unsichtbar, beginnen diese Markierungen (Tracer) zu leuchten, sobald sie z.B. mit Laserlicht angeregt werden – jede Plastiksorte in einer anderen Farbe. Anhand dieser Farbcodierung kann die Sortieranlage die Plastiksorten eindeutig identifizieren und richtig sortieren.
Besonders nützlich könnte TBS bei Mulitlayer-Verpackungen sein. Sie bestehen aus mehreren hauchdünnen Kunststoffschichten und bereiten der üblichen Sortierung große Probleme, da nur die äußere und die innere Plastikschicht zweifelsfrei erkannt werden kann. Beim Standardrecycling werden sie oft mit den reinen Plastiksorten vermischt und verunreinigen das Endprodukt. TBS löst dieses Problem, da die Multilayer von vorneherein als Problemverpackungen gekennzeichnet und frühzeitig aussortiert werden können.
Entwickelt wurde das TBS im Forschungsprojekt MaReK, das zwischen 2017 und 2020 an der Hochschule Pforzheim durchgeführt wurde, unter anderem mit aktiver Unterstützung unseres Gründungsunternehmens Werner & Mertz. Die Technologie mit dem leuchtenden Plastikmüll gilt als aussichtsreicher Kandidat für den nächsten großen Sprung im mechanischen Recycling.
Gravierter Kunststoff: Digital Watermarking
Als mögliche Alternative zum Tracer-Based Sorting gilt das Digital Watermarking. Diese digitalen Wasserzeichen wurden ursprünglich für den Kopierschutz von Bildern entwickelt. Mit ihnen lassen sich in einem Foto Informationen verstecken, die nur von einer Software ausgelesen werden können.
Die niederländische Firma FiliGrade nutzt die digitalen Wasserzeichen auch bei 3D-Objekten und versucht, sie für das Recycling von Verpackungen nutzbar zu machen. Ähnlich wie beim Tracer-Based Sorting lassen sich verschiedene Informationen auf der Verpackung hinterlegen, die während der Sortierung von Sensoren ausgelesen werden.
Ein digitales Wasserzeichen muss man sich so vorstellen, als wäre die komplette Verpackung über und über mit Barcodes bedruckt. Die gedruckten oder geprägten Informationen sind so klein, dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Der große Vorteil dabei ist, dass sich die Angaben in jedem denkbaren Zustand auslesen lassen. Dass Verpackungen häufig verschmutzt, zerdrückt, zerstört oder ohne Etikett auf dem Band einer Sortieranlage landen, würde keine Rolle mehr spielen.
Wie das Tracer-Based Sorting befindet sich auch das Digital Watermarking derzeit noch in der Erprobungsphase. Allerdings zeichnet sich politisch bereits ab, dass mindestens eine oder gar beide Technologien in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle im mechanischen Recycling spielen werden.