Kreislaufpioniere Das Ende der Downcycling-Ökonomie

Erik G. Hansen ist Professor und Institutsleiter an der Johannes Kepler Universität in Linz. Seit vielen Jahren forscht er zur Zukunft der Kreislaufwirtschaft. In diesem Gespräch erklärt er, wofür wir saubere Materialströme benötigen, weshalb Zusammenarbeit unvermeidbar ist und welche Rolle Pionier-Firmen für die Kreislaufwirtschaft spielen.

Professor Hansen, wo stehen wir bei der Kreislaufwirtschaft für Plastik?

Noch ist unser Recyclingsystem eine Downcycling-Ökonomie, die Abfall nur verlangsamt, statt ihn zu vermeiden. In der Regel werden Kunststoffe derzeit noch nach aufwändiger Sortierung verbrannt; der kleinere Anteil wird in einem Zwischenschritt als minderwertiges Produkt wiederverwertet, bevor er schließlich doch zu Abfall wird. Die Kreislaufwirtschaft will das ändern und Plastik langfristig in geschlossenen Systemen zirkulieren lassen. Eine Verpackung wird wieder eine Verpackung für die gleiche oder ähnliche Anwendung.

Dieses Umdenken hat gerade erst begonnen. Aus meiner Sicht stehen wir derzeit am Anfang einer umfassenden Transformation der Märkte. In jeder Branche passiert das unterschiedlich schnell. Einen enormen Schub erlebt derzeit die Verpackungsindustrie, weil EU-Gesetze die Unternehmen unter Innovationszwang setzen. Mehr und mehr Hersteller stellen daher auf recycelte und recycelbare Verpackungen um – leider nicht immer in einer Weise, die tatsächlichen Umweltnutzen bringt.

Worin sehen Sie die größten Herausforderungen?

In der Kreislaufwirtschaft sieht man sich immer zweimal. Deshalb müssen Unternehmen lernen, ihre Produkte von Beginn an recyclingfreundlich zu gestalten. Wenn das Material wiederholt genutzt werden soll, muss bereits das Design alle besorgniserregenden Chemikalien aus dem Stoffstrom verbannen. Trennungsfeindliche Materialkombinationen wie die sogenannten Multi-Layer-Verpackungen sollten durch Monomaterialien ersetzt werden.

Damit verbunden ist ein anderes wichtiges Thema, nämlich die Kooperation. In der Kreislaufwirtschaft können Firmen ihre Innovationen nicht mehr isoliert vorantreiben. Wer komplett kreislauffähige Verpackungen möchte, muss sie gemeinsam mit dem Verpackungshersteller entwickeln und klare Anforderungen formulieren. Gleichzeitig muss er mit der Abfallwirtschaft zusammenarbeiten und prüfen, ob die Verpackungen in der Praxis auch wirklich recycelbar sind. Jene Unternehmen, die die wirkungsvollsten Kooperationen über den gesamten Wertschöpfungskreislauf aufbauen können, werden die Gewinner sein.

Welche Rolle spielen Pionier-Firmen?

In jeder Branche beobachten wir einige führende Unternehmen, die mit eigenen Innovationen den Weg bereiten. Beim Recycling von Plastikverpackungen gehört Werner & Mertz mit der Marke Frosch ganz klar zu diesen Pionieren, wie auch bei der kreislauforientierten Produktentwicklung als Ganzes. Für die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft sind solche Vorreiter enorm wichtig. 

Zum einen erhöhen sie den Druck auf die Konkurrenz, selbst stärker in die Kreislaufwirtschaft zu investieren. Zum anderen setzten sie durch innovative Technologien und darauf basierende Standards wichtige Machbarkeitssignale für die Regulierer auf nationaler und internationaler Ebene. Denn Gesetzgeber können erst handeln, wenn Marktakteure neue technische Möglichkeiten kommerzialisiert haben. Sobald ein Unternehmen beweist, dass ein Umweltproblem technisch lösbar und zu einem gewissen Grad standardisierbar ist, kann diese Lösung auch für alle zur Pflicht gemacht werden.

Professor Hansen, vielen Dank für dieses Gespräch.

Mehr zur Kreislauf-Forschung von Professor Erik G. Hansen findet ihr hier.

Auswahl von Studien des Institute for Integrated Quality Design (IQD) an der Johannes Kepler Universität:

  • Hansen & Schmitt (2019).
    Zirkulärwirtschaft als Chance: Innovative Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle wertschöpfungsübergreifend gestalten.
    Wirtschaftspolitische Blätter, (4), 405–422. Link   (10.10.2022)
  • Hansen, Revellio, Schmitt, Schrack, Alcayaga & Dick (2020).
    Circular Economy erfolgreich umsetzen: die Rolle von Innovation, Qualitätsstandards & Digitalisierung (Quality Austria Whitepaper), Quality Austria – Trainings, Zertifizierungs und Begutachtungs GmbH. Vienna. Link (10.10.2022).
  • Schmitt & Hansen (2022). Cradle-to-Cradle-Innovationsprozesse gestalten: erfolgreiche Produktentwicklung in der Circular Economy, Johannes Kepler University (JKU), Institute for Integrated Quality Design (IQD). Linz, Austria. Link

Kreislaufpioniere

In unserer Interview-Reihe „Kreislaufpioniere“ sprechen wir mit Expert*innen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft über Kreislaufwirtschaft, Recycling und verwandte Umweltthemen. Unter dem Motto „kurz und konkret“ beantworten unsere Gesprächspartner*innen drei Fragen zu ihrem Fachgebiet.