Kreislaufwirtschaft wird in der universitären Ausbildung immer wichtiger. Was Studierende motiviert und wie die Zusammenarbeit mit der Industrie funktioniert, erklärt Prof. Kerstin Kuchta von der TU Hamburg. Mehr
Greenwashing liegt im Trend, viele Unternehmen kaufen sich einfach mit “Klimaneutral”-Labels frei. Echtes Engagement für Umwelt und Klima? Fehlanzeige. Warum ist das so? Wie bewegen wir Unternehmen zu wahrhaft ökologischem Handeln? Darüber spricht Thomas Fischer, Leiter des Bereichs Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH).
Herr Fischer, wer heute durch den Supermarkt geht, findet überall Produkte mit Siegeln wie “klimaneutral”. Die Deutsche Umwelthilfe findet das problematisch. Warum?
Vorneweg möchte ich unterstreichen: Ich finde es grundsätzlich sehr gut, dass sich Unternehmen heute mit Klimaschutz befassen müssen. Die Herangehensweise ist jedoch teilweise sehr problematisch. Viele Konzerne kaufen einfach Klimazertifikate und machen weiter wie bisher. Ob diese Zertifikate den CO₂-Ausstoß kompensieren, ist unklar, da es keine gesetzlichen Regelungen für Begriffe wie “klimaneutral” oder “umweltfreundlich” gibt. Diese Labels verschleiern, worauf es wirklich ankommt. Die Akteure lassen die Endverbraucher*innen glauben, es handele sich um ein klimaneutrales, ökologisches Produkt.
Dabei werden die einfachsten Dinge falsch gemacht. Ökodesign, Verpackung, Recyclingfähigkeit und der Einsatz von Rezyklaten spielen eine wichtige Rolle für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft. Einige Unternehmen ignorieren diese Kriterien aber und kaufen stattdessen Zertifikate aus Aufforstungsprojekten. Die Krux dabei: Jeder gepflanzte Baum bindet frühestens in 20 Jahren nennenswerte Mengen CO₂. Doch wir brauchen Klimaschutz jetzt. Das 1,5-Grad-Ziel ist kaum noch zu erreichen. Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist fünf nach zwölf!
Klimazertifikate sind falsche Versprechungen von Akteuren, die mit ihrer bestehenden Infrastruktur und linearen Geschäftsmodellen möglichst lange viel Geld verdienen wollen. Am besten wäre es Begriffe wie „klimaneutral“ oder „umweltneutral“ zu verbieten. Umweltprobleme sollten gelöst werden, anstatt sie mit missverständlichen und zweifelhaften Werbeaussagen zu legitimieren.
Mit “Klimaneutral”-Labels verkaufen sich Unternehmen also als umweltfreundlich, machen aber weiter wie bisher. Ist das beim sogenannten chemischen Recycling genauso?
Chemisches Recycling ist derzeit in aller Munde. Chemiekonzerne bewerben es als Lösung für die weltweite Plastikkrise. Aber ein genauer Blick zeigt, dass die Vorteile marginal sind. Die Polymerketten werden wieder in Rohöl zerlegt. Damit ist die Energie, die für die Herstellung des Kunststoffs ursprünglich aufgewendet wurde, verloren – und es muss dafür sogar noch mehr Energie zugeführt werden. Und dann braucht es nochmal Energie, um aus dem Öl wieder Kunststoff zu machen.
Bei der Pyrolyse, dem Standardverfahren des chemischen Recyclings, haben wir zudem einen Materialverlust, der in besseren Fällen 50 Prozent beträgt, aber auch deutlich darüber liegen kann. Das kann man kaum als Recycling bezeichnen – eher als Ressourcenvernichtung. Außerdem entstehen giftige Nebenprodukte, wie zum Beispiel polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die krebserregend wirken. Die aktuelle Antwort der DUH zu diesem Thema lautet daher: Wir brauchen kein chemisches Recycling. Es ist der falsche Weg. Stattdessen sollten wir uns auf das konzentrieren, was funktioniert und einen besonders großen Umweltnutzen hat: das Design for Recycling in Kombination mit einem hochwertigen, werkstofflichen Recycling.
Wie kann man Unternehmen motivieren, wirklich nachhaltig zu wirtschaften?
Die wohl wichtigste Stellschraube ist das Geld: Unökologisches Handeln sollte finanziell bestraft statt belohnt werden. In Deutschland ist das leider noch anders. Der Bund zahlt beispielsweise die EU-Plastiksteuer auf nicht recycelte Verpackungen mit öffentlichen Geldern. So kommen Steuerzahler*innen für Konzerne auf, die sich nicht um die Recyclingfähigkeit ihrer Produkte kümmern. Im Jahr 2022 sind das 1,3 Milliarden Euro oder 15,63 Euro pro Kopf.
Konzerne, die nicht recycelbare Verpackungen auf den Markt bringen, haben also einen enormen Vorteil: Sie machen einfach weiter wie bisher, müssen nichts in Innovationen investieren und können ihre Produkte billig anbieten. Es muss sich lohnen, recycelte und recycelbare Verpackungen einzusetzen. Dazu muss auch die Neuware teurer werden. Ohne diese ökonomischen Anreize geht es nicht, wir müssen unökologischem Wirtschaften den Geldhahn zudrehen.
Gibt es denn auch positive Entwicklungen beim Umwelt- und Klimaschutz in Deutschland?
Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind in der Gesellschaft angekommen. Und das bringt Unternehmen und Politik in Zugzwang. Unser Bundeskanzler bezeichnet sich als “Klimakanzler” – diesen Worten müssen nun Taten folgen. Stichwort grüne öffentliche Beschaffung: Die Regierung muss bei ihrer eigenen Einkaufspolitik mit gutem Beispiel vorangehen. Damit würde sie ökologischen Unternehmen einen wirtschaftlichen Schub geben und der Klimaschutz bekäme noch mehr Rückenwind.
Herr Fischer, wir danken für dieses Gespräch.
Kreislaufpioniere
In unserer Interview-Reihe „Kreislaufpioniere“ sprechen wir mit Expert*innen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft über Kreislaufwirtschaft, Recycling und verwandte Umweltthemen. Unter dem Motto „kurz und konkret“ beantworten unsere Gesprächspartner*innen drei Fragen zu ihrem Fachgebiet.