Werner & Mertz hat in seinen Frosch-Flaschen den Anteil an Rezyklat aus dem Gelben Sack auf 75 Prozent erhöht. Verpackungschef Alexander Schau erklärt, wie das möglich war. Mehr
Plastik und Politik sind nicht zu trennen. Wie wichtig die Schaffung von Recyclat-Märkten ist, warum uns Kunststoff-Kreisläufe widerstandsfähig gegen Autokraten machen und wie eng Plastik-Recycling und Klimaschutz verzahnt sind, erklärt uns Reinhard Schneider, Geschäftsführer des Mainzer Recycling-Pioniers Werner & Mertz und Träger des Deutschen Umweltpreises.
Herr Schneider, wie verhelfen wir der Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe auf breiter Front zum Durchbruch?
Wichtig wäre dafür der politische Wille, funktionierende Recyclat-Märkte zu schaffen. Diesen Willen sehe ich aber speziell in Deutschland leider derzeit nicht. Bei Werner & Mertz haben wir längst bewiesen, dass Plastik-Recycling zukunftsfähig ist. Wir können sehr hochwertiges Recyclat einsetzen und sehen an unseren eigenen Verkaufszahlen, dass Verbraucher*innen recycelte und recycelbare Verpackungen honorieren.
Trotzdem zögert die Politik, den deutschen Recyclat-Markt in Schwung zu bringen. Instrumente dafür gäbe es. Über die EU-Plastiksteuer könnte man Unternehmen entlasten, die recyceltes Material einsetzen, und jene zur Kasse bitten, die das nicht tun. Doch Deutschland ist eines der EU-Länder, das die Plastiksteuer nicht für diese Lenkungswirkung einsetzt. Das muss sich ändern, um einen echten Anreiz für Kreislaufwirtschaft zu schaffen.
Ist Plastik ein politischer Stoff?
Ja, absolut. Das war es schon immer. Aber erst in den letzten Jahren ist ein Bewusstsein dafür entstanden, auf wie vielen Ebenen Neuplastik problematisch ist. Wir alle wissen, dass Plastik aus Rohöl und Gas hergestellt wird. Und wir wissen auch, aus welchen Ländern Öl und Gas häufig stammen. Die Rohstoff-Abhängigkeit von diesen Ländern macht Neuplastik globalpolitisch zu einem hochbrisanten Material.
Bislang ging es bei der Kreislaufwirtschaft von Kunststoff primär um die Verringerung des Klimafußabdrucks. Aber so langsam erkennen wir: Über denselben Ansatz können wir auch unseren Autokraten-Fußabdruck verringern. Denn anders als Öl oder Gas ist Plastik-Recyclat eine europäische Ressource. Indem wir vorhandenen Kunststoff hochwertig im Kreislauf halten, stärken wir unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit und nehmen autoritären Regimen einen Teil ihrer politischen Druckmittel.
Sie haben den CO₂-Fussabdruck von Plastik erwähnt. Taugt Recycling als Klimaretter?
Daran gibt es keinen Zweifel. Dank wissenschaftlicher Forschungen sehen wir immer klarer, wie gewaltig das Klimaschutz-Potenzial des Plastik-Recyclings ist.
Erst 2021 hat eine viel beachtete Studie der ETH Zürich gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen Plastik und CO₂ noch viel größer ist als bislang angenommen. Nicht nur erzeugt jedes Gramm Plastik in der Verbrennung drei Gramm CO₂. Ganze 96 Prozent des gesamten CO₂-Fußabdrucks von Neuplastik entsteht in der Produktionsphase. Das liegt an der energieintensiven Herstellung von Plastik, die fast ausschließlich in Ländern mit hohem Kohlestrom-Anteil stattfindet.
Spätestens bei diesen Zahlen sollte jedem klar sein, dass auch in diesem Fall Kreislaufwirtschaft die vernünftigste Lösung ist. Denn jedes Gramm Plastik, das wir im Kreislauf halten, muss nicht CO₂-intensiv neu produziert werden.
Herr Schneider, vielen Dank für dieses Gespräch.
Wie beenden wir die Plastikkrise?
zur SendungAuf der IFAT 2022 diskutierten Reinhard Schneider, Remondis-Geschäftsführer Herwart Wilms, und Umweltschützer Hannes Jaenicke über die Zusammenhänge von Politik und Kreislaufwirtschaft.
Kreislaufpioniere
In unserer Interview-Reihe „Kreislaufpioniere“ sprechen wir mit Expert*innen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft über Kreislaufwirtschaft, Recycling und verwandte Umweltthemen. Unter dem Motto „kurz und konkret“ beantworten unsere Gesprächspartner*innen drei Fragen zu ihrem Fachgebiet.