Kreislaufwirtschaft wird in der universitären Ausbildung immer wichtiger. Was Studierende motiviert und wie die Zusammenarbeit mit der Industrie funktioniert, erklärt Prof. Kerstin Kuchta von der TU Hamburg. Mehr
Deutschland sieht sich noch immer als Recyclingweltmeister. In Wahrheit haben wir nie zuvor mehr recycelbare Verpackungen verbrannt. Auch der Einsatz von Recyclat lässt zu wünschen übrig. Im Interview erklärt Recyclingexperte Joachim Christiani, Geschäftsführer des Instituts cyclos-HTP, was sich an unserer Verpackungsverwertung ändern muss.
Herr Dr. Christiani, warum wird so wenig recycelt?
Grundsätzlich funktioniert unser Recyclingsystem. Das beweisen Verpackungshersteller, die schon heute 100 Prozent Rezyklat aus dem Gelben Sack verwenden. Aber wir müssen noch deutlich mehr recyceln, um beim Umwelt- und Klimaschutz wirklich etwas zu bewegen. Leider folgen immer noch zu wenige Verpackungshersteller dem Prinzip Design for Recycling. Stattdessen setzen sie auf Verbundverpackungen, für die sie mehrere Materialarten untrennbar miteinander verkleben. Das Ergebnis ist schwer bis gar nicht recycelbar. Das bedeutet auch: selbst wenn wir unseren Müll richtig trennen und im Gelben Sack entsorgen, garantiert das leider noch kein sinnvolles Recycling.
Vor welchen Herausforderungen steht unser Recyclingsystem?
Paragraph 21 des Verpackungsgesetzes schreibt den dualen Systemen vor, wirtschaftliche Anreize für ökologische Verpackungsgestaltung zu setzen. Bei konstant bleibenden Kosten impliziert das, für schlecht recycelbare Verpackungen mehr Geld zu verlangen. Das Gesetz bleibt aber wirkungslos, weil Inverkehrbringer einfach zu einem günstigeren dualen System ausweichen können. Die zweite Herausforderung ist, dass Neuplastik immer noch günstiger ist als Recyclat für anspruchsvolle Anwendungen. Der Einsatz von Altplastik ist weniger eine Frage der technischen Machbarkeit, sondern vielmehr eine wirtschaftliche Entscheidung. Die Rahmenbedingungen geben also derzeit weder einen wirksamen Anreiz für recyclingfähige Verpackungen noch für den Einsatz von Recyclat. Entsprechende Lenkungsinstrumente sind aber dringend notwendig.
Wie können wir das Problem lösen?
Die Regierung hat bereits vorgesehen, dass Paragraph 21 weiter verbessert werden muss. Im Auftrag des Umweltbundesamtes erarbeitet das Institut cyclos-HTP aktuell gemeinsam mit Forschungspartnern passende Empfehlungen. Favorisierte Lösung ist ein Fonds, in den alle Inverkehrbringer nicht recyclingfähiger Verpackungen einzahlen müssen. Aus diesem Fundus würde dann die Weiterentwicklung der Recyclinginfrastruktur und die Steigerung des Recyclateinsatzes gefördert. Das würde Unternehmen auch wirtschaftlich dazu motivieren, die Recyclingfähigkeit Ihrer Produktverpackungen zu optimieren und verstärkt Recyclate einzusetzen.
Beim Talk auf der roten Couch nehmen Joachim Christiani vom Institut cyclos-HTP und Frosch-Chef Reinhard Schneider das deutsche Recyclingsystem unter die Lupe.
Kreislaufpioniere
In unserer Interview-Reihe „Kreislaufpioniere“ sprechen wir mit Expert*innen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft über Kreislaufwirtschaft, Recycling und verwandte Umweltthemen. Unter dem Motto „kurz und konkret“ beantworten unsere Gesprächspartner*innen drei Fragen zu ihrem Fachgebiet.